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Private Veräußerungsgeschäfte – Besteuerung des auf tageweise vermietete Räume entfallenden Veräußerungsgewinns (Stand: 1/2023)

I. Einleitung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit dem am 12. Januar 2023 veröffentlichten Urteil vom 19. Juli 2022 (Az. IX R 20/21) in den Leitsätzen wie folgt entschieden:

  1. Wird ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Reihenhaus innerhalb der zehnjährigen Haltefrist veräußert, ist der Veräußerungsgewinn insoweit nicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt.
  2. Eine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte besteht nicht.
  3. Aufteilungsmaßstab für die Ermittlung des steuerbaren Anteils am Veräußerungsgewinn ist das Verhältnis der Wohnflächen zueinander.

Dadurch versagt der BFH im Ergebnis die Steuerbefreiung des privaten Veräußerungsgeschäftes, soweit die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht ausschließlich, d. h. zeitlich durchgängig, zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden ist.

 

 

II. Auf einen Blick


Im vorliegenden Urteilssachverhalt hatte ein Ehepaar ihr Haus binnen zehn Jahre nach der Anschaffung wieder veräußert. Während der Besitzzeit wurden tageweise zwei Zimmer im Dachgeschoss des Hauses an Messegäste vermietet und daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Das Finanzamt unterwarf den Veräußerungsgewinn soweit er auf die Fläche des gesamten Dachgeschosses (vermietete Zimmer zur Alleinnutzung sowie Flur und Bad zur Mitnutzung) entfiel, unter Verweis auf die nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzten Flächen, der Besteuerung. Im anschließenden erstinstanzlichen Klageverfahren sah hingegen das Niedersächsische Finanzgericht mit Urteil vom 27. Mai 2021 (Az. 10 K 198/20) die tageweise entgeltliche Vermietung als unschädlich für das Tatbestandserfordernis der ausschließlichen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken an. Hiergegen richtete sich das nun durch den BFH entschiedene Revisionsverfahren des beklagten Finanzamtes. Im Ergebnis sah der BFH die Revision als begründet an und hob das erstinstanzliche Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts auf. Nach Auffassung des BFH existiert keine räumliche oder zeitliche Bagatellgrenze für eine unschädliche Nutzungsüberlassung an Dritte, wodurch insoweit der Veräußerungsgewinn aus einer sonst zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobile nicht gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG von der Besteuerung ausgenommen wird, als er auf tageweise an Dritte vermietete Räume entfällt.

 

III. Im Detail

1. Zeitraumbetrachtung


Die Überschüsse bei Immobilienveräußerungen aus dem steuerlichen Privatvermögen sind nur dann steuerfrei, wenn zwischen der Anschaffung und der Veräußerung mehr als zehn Jahre liegen (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG). Für die Berechnung der Behaltensfrist sind die obligatorischen Rechtsgeschäfte, d. h. der Abschluss der jeweiligen notariellen Verträge ausschlaggebend. Darüber hinaus bleiben Veräußerungsgewinne aber auch steuerfrei, wenn die Immobilie zwischen Anschaffung und Veräußerung oder zumindest im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG). Bei der zweiten Alternative (Eigennutzung im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren) muss sich die Nutzung jedoch nicht über vollen drei Kalenderjahre erstrecken, sondern kann auch bei einer zusammenhängenden Nutzung von einem Jahr und zwei Tagen gegeben sein kann, wobei sich die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken auf das gesamte mittlere Kalenderjahr erstrecken muss, während die eigene Wohnnutzung im zweiten Jahr vor der Veräußerung und im Veräußerungsjahr nur jeweils einen Tag zu umfassen braucht (vgl. so auch bereits Senatsurteil vom 03.September 2019 - IX R 10/19, BFHE 266, 507, BStBl II 2020, 310, Rz 11 sowie ausführlich dazu bereits unseren Blogbeitrag aus 9/2022 https://www.konlus-blog.de/die-nutzung-einer-immobilie-zu-eigenen-wohnzwecken-im-rahmen-steuerfreier-privater-veraeusserungsgeschaefte-stand-9-2022 ).

 

2. Nutzung zu eigenen Wohnzwecken


Der Steuerpflichtige muss die Immobilie während des Beobachtungszeitraumes zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben. Bereits die Aufnahme weiterer Familienangehöriger kann – je nach Ausgestaltung des Einzelfalls – die Steuerbefreiung (zumindest teilweise) entfallen lassen. Eindeutig keine „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ liegen vor, wenn die Immobilie entgeltlich an andere Personen überlassen wird und der Steuerpflichtige nicht zugleich die Immobilie (mit-)bewohnt. Aus Sicht der Finanzverwaltung ist die teilweise, unentgeltliche Überlassung der Wohnung an einen Dritten solange unschädlich, wie die dem Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken verbleibenden Räume noch den Wohnungsbegriff erfüllen und ihm die Führung eines selbständigen Haushaltes ermöglichen (vgl. dazu BMF-Schreiben vom 5. Oktober 2000, BStBl. I 2000, 1383, Rz. 22). Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist kann auch bei nur zeitweilig bewohnte Zweit- oder Ferienwohnungen angenommen werden, sofern dem Steuerpflichtigen die Immobilie auch in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht (vgl. dazu BFH vom 27. Juni 2017 IX R 37/16, BStBl. 2017 II, 1192). Im Ergebnis kann ein Steuerpflichtiger somit zeitgleich mehrere Wohnungen zu eigenen Wohnzwecken nutzen (z. B. Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen oder Wohnungen im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung), sofern die Nutzung auf Dauer angelegt ist. Wird die Wohnung hingegen auch Dritten unentgeltlichen oder entgeltlichen Nutzung überlassen, unterliegt diese Immobilie der normalen Zehnjahresfrist.

Vor dem Hintergrund der vorstehenden Grundsätze war die Besonderheit im vorliegenden Urteilssachverhalt, dass nicht die gesamte Wohnung entgeltlich an Dritte überlassen wurde, sondern nur ein Teil dieser und die Steuerpflichtigen darüber hinaus die Immobilie zugleich mitbewohnt hatten. Ferner wurden die in der übrigen Zeit als Kinderzimmer genutzten Räume nur tageweise an fremde Dritte vermietet. In diesem Zusammenhang stellt der BFH in seiner Urteilsbegründung klar, die vorübergehende Vermietung einzelner Zimmer einer Wohnung die "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" ausschließt, soweit der Mieter die vermieteten Räume unter Ausschluss des Vermieters nutzt. Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken sei einerseits von der eigenen Nutzung zu anderen als Wohnzwecken und andererseits von der Nutzung zu fremden Wohnzwecken (wie der Fremdvermietung eines Zimmers) abzugrenzen. Erstere schließt die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht notwendiger Weise aus (z. B. ein Arbeitszimmer); letztere hingegen schon. Somit sei im Ergebnis bereits eine kurzzeitige Fremdnutzung schädlich.

Gleichwohl verdeutlichte der BFH auch, dass die vorübergehende Nutzung einzelner Räume durch fremde Dritte die Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 1. Alternative EStG aber nicht insgesamt ausschließt. Das Kriterium der Ausschließlichkeit beziehe sich auf die zeitlich durchgängige, nicht auf die räumliche Nutzung des Wirtschaftsguts. Der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts sei danach nicht erfüllt, soweit die Wohnung im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung ausschließlich, d. h. zeitlich durchgängig, zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden ist. Nur soweit das nicht der Fall war (vorübergehend fremdvermieteter Teil), läge ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor.

Der Maßstab für die Ermittlung des anteilig steuerbaren Veräußerungsgewinns sei dann das Verhältnis der Wohnflächen zueinander (durchgängig zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnfläche zu vorübergehend zu fremden Wohnzwecken überlassener Wohnfläche). In diesem Zusammenhang sei auf die Wohn- und nicht auf die Nutzflächen abzustellen, weil die Norm die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken privilegiere. Soweit die Mieter jedoch die vorübergehend überlassenen Wohnräume unter Ausschluss des Vermieters genutzt hätten, ist das Merkmal der "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" nicht erfüllt. Unschädlich sei hingegen die Überlassung von Bad und Flur zur Mitbenutzung durch die Mieter; denn dies schließe die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und die Anwendung von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht aus.

 

IV. Auswirkung auf die Praxis


Wie vorstehend gezeigt werden konnte, kommt es – wie so häufig im Steuerrecht – auf Kleinigkeiten an, die gleichwohl steuerlich erhebliche Auswirkungen haben können. Insbesondere die falsche Berechnung etwaiger Beobachtungszeiträume sowie die landläufig verfestigte Auffassung, dass zu eigenen Wohnzwecken (mit) genutzte Immobilien stets einkommensteuerfrei veräußert werden können, birgt in der Praxis ein erhebliches steuerliches Belastungsrisiko. Mit Blick auf die Möglichkeit signifikante Überschüsse aus einer Immobilienveräußerung steuerfrei zu vereinnahmen, sollte jede Immobilientransaktion vor Durchführung einzelfallbezogen auf etwaige Risiken hin analysiert und der Veräußerungszeitpunkt entsprechend gewählt werden.

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