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Steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft bei Veräußerung des Familienheims nach Ehescheidung (Stand 4/2023)

I. Einleitung

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit dem am 13. April 2023 veröffentlichten Urteil vom 14. Februar 2023 (Az. IX R 11/21) in den Leitsätzen wie folgt entschieden:

  1. Eine (willentliche) Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt.
  2. Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen.

Im Ergebnis führt dies dazu, dass bei einem scheidungsbedingten Auszug einhergehend mit einer Veräußerung des eigenen Miteigentumsanteils vor Ablauf der Zehnjahresfrist regelmäßig die Gefahr einer Veräußerungsgewinnbesteuerung besteht.

 

II. Auf einen Blick

Wie bereits in unserem Blogbeitrag aus dem September 2022 erläutert, stellte nach finanzgerichtlicher Rechtsauffassung (siehe das vorinstanzliche Urteil des FG München 11.3.2021 11 K 2405/19, EFG 2021, 1625) ein scheidungsbedingtes Getrenntleben durch Auszug eines Ehepartners, vor der entgeltlichen Übertragung des hälftigen Bruchteils am bisher gemeinsam genutzten Einfamilienhaus an den anderen Ehepartner im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung, ein immanentes Rechtsrisiko mit Blick auf die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar.

Der BFH hat die Rechtsauffassung des FG München nun im vorliegenden Urteil bestätigt und weitergehende Ausführungen in dieser Sache – insbesondere zum Befreiungstatbestand § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG – vorgenommen.

 

III. Im Detail


1. Urteilsachverhalt

Im vorliegenden Urteilssachverhalt hatte der Kläger zusammen mit seiner früheren Ehefrau im Jahr 2008 ein Einfamilienhaus erworben und dieses zunächst mit ihrem gemeinsamen Kind bewohnt. Im Jahr 2015 zog der Ehemann trennungsbedingt aus. Die Ehefrau verblieb mit dem gemeinsamen Kind in der Immobilie. Im Jahr 2017 (und somit vor Ablauf der Zehnjahresfrist) wurde die Ehe geschieden. Im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung im Scheidungsverfahren kam es zwischen den getrenntlebenden Ehepartnern zum Streit über die Immobilie. Der Ehemann veräußerte seinen hälftigen Miteigentumsanteil der Immobilie an seine Ehefrau, nachdem diese ihm mit der Zwangsversteigerung des Objektes gedroht hatte. Die Ehefrau nutzte die Immobilie fortan weiterhin mit dem gemeinsamen Kind zu eigenen Wohnzwecken.

Das Finanzamt unterwarf den Gewinn aus der Veräußerung des Miteigentumsanteils der Einkommensteuer. Der dagegen gerichtete Einspruch unter Verweis auf den Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG aufgrund der ausschließlichen „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ hatte keinen Erfolg. Auch das FG München wies die dagegen erhobene Klage ab und entschied, dass der Befreiungstatbestand für einen Ehemann zu versagen war, nachdem dieser zwei Jahre vor der entgeltlichen Übertragung seines Miteigentumsanteils an seine Ehefrau aus dem gemeinsam genutzten Einfamilienhaus ausgezogen sei.

2. Entscheidungsgründe

Der BFH bestätigte vorliegend das Urteil des FG München. Demnach liegt ein steuerpflichtiges privates Veräußerungsgeschäft liegt vor, wenn eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren angeschafft und wieder veräußert wird. Dies gilt grundsätzlich auch für einen hälftigen Miteigentumsanteil, der im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung nach einer Ehescheidung von einem Miteigentümer an den anderen veräußert wird.

Die Veräußerung der Immobilie wäre nur dann nicht steuerbar, wenn die Immobilie durchgängig zwischen Anschaffung und Veräußerung oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden wäre. Nach Auffassung des BFH nutzt ein in Scheidung befindlicher Ehegatte die in seinem Miteigentum stehende Immobilie nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken, wenn er selber aus dieser ausgezogen ist und nur noch sein geschiedener Ehegatte und das gemeinsame Kind dort wohnen.

Eine das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts ausschließende Zwangslage, wie z. B. bei einer Enteignung oder einer Zwangsversteigerung, lag im vorliegenden Urteilssachverhalt nach Auffassung des BFH ausdrücklich nicht vor. Zwar hatte die geschiedene Ehefrau ihren Ex-Partner erheblich unter Druck gesetzt. Letztlich hat dieser aber seinen Anteil an dem Einfamilienhaus an seine geschiedene Frau freiwillig veräußert. Ob sich der Steuerpflichtige dabei wirtschaftlich oder emotional in einer Zwangssituation befunden habe, ist steuerrechtlich ohne Bedeutung. 

3. Exkurs: Zu „eigene Wohnzwecken genutzt“

Der BFH nutzte das Urteil um die Grundsätze des Tatbestanderfordernisses „zu eigenen Wohnzwecken genutzt“ noch einmal aufzuarbeiten. Demnach setzt die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen; unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt.

Gleichwohl wird ein Gebäude auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Ein Steuerpflichtiger kann deshalb mehrere Gebäude gleichzeitig zu eigenen Wohnzwecken nutzen. Erfasst sind daher auch Zweitwohnungen, nicht zur Vermietung bestimmte Ferienwohnungen und Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Ist deren Nutzung auf Dauer angelegt, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige noch eine (oder mehrere) weitere Wohnung(en) hat und wie oft er sich darin aufhält.

Achtung:

Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich an einen Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen!


Wichtig:

Hingegen wäre eine (mittelbare) Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch den Steuerpflichtigen zu bejahen, wenn dieser Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm im Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtung obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. Jedoch kann – wie im vorliegenden Fall – die Mitbenutzung der Kindesmutter schädlich sein, da insoweit nicht die Wohnung insgesamt dem unterhaltsberechtigten Kind zur Verfügung steht. Ferner können minderjährige Kinder, die dem Haushalt des sie betreuenden Elternteils zuzurechnen sind, keine (mittelbaren) „eigenen Wohnzwecke“ vermitteln.

 

IV. Auswirkung auf die Praxis

Vorstehendes Urteil des BFH schafft weitere Rechtssicherheit hinsichtlich des Befreiungstatbestandes „zu eigenen Wohnzwecken“ des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG. So stellte der BFH heraus, dass der in Scheidung befindliche Ehegatte das in seinem Miteigentum stehende Objekt nach seinem Auszug nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken nutzt, wenn sein geschiedener Ehepartner und das gemeinsame (minderjährige) Kind weiterhin dort wohnen. Minderjährige Kinder können somit im Ergebnis keine mittelbaren „eigene Wohnzwecke“ begründen. Dies könnte hingegen anders sein, wenn es sich um volljährige Kinder handelt, an die eine Wohnung unentgeltlich überlassen wird und für die der Steuerpflichtige Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag bezieht.

Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.

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