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Anschaffungsnahe Herstellungskosten als vorweggenommene Werbungskosten beim Immobilienerwerb – BFH Beschluss vom 28. April 2020 IX B 121/19 (Stand 12/2023)

I. Auf einen Blick

Steuerpflichtige, die Immobilieneigentum erwerben und anschließend vermieten, sehen sich regelmäßig mit der sogenannten „15-%-Grenze“ konfrontiert. Nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten).

Ein Beschluss vom Bundesfinanzhof (BFH) vom 28. April 2020 (Az.: IX B 121/19) konkretisiert den Anschaffungszeitpunkt. Der Beschluss stellt klar, dass Instandhaltungs- und Modernisierungskosten, die vor der Anschaffung einer Immobilie anfallen, nicht als anschaffungsnahe Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gelten. Der BFH führt aus, dass die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nur Aufwendungen betrifft, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung (Übergang von Nutzen und Lasten bzw. Kaufpreiszahlung) entstehen. Für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die außerhalb des Zeitraums von drei Jahren nach dem Übergang von Nutzen und Lasten bzw. Kaufpreiszahlung eines Gebäudes durchgeführt werden, ist die Qualifizierung dieser Aufwendungen als anschaffungsnahe Herstellungskosten versagt. Die für die Qualifikation von anschaffungsnahen Herstellungskosten maßgebliche Frist beginnt nach dem Gesetzeswortlaut (erst) mit dem wirtschaftlichen Übergang des Gebäudes auf den Erwerber und endet nach Ablauf von drei Jahren ab dem Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs. Die Drei-Jahres-Frist gilt strikt und ist tagesgenau zu berechnen. Damit eröffnet sich Gestaltungsspielraum, da vor dem wirtschaftlichen Übergang vom Erwerber getätigte Ausgaben als vorweggenommene Werbungskosten abgezogen werden können.

 

II. Im Detail

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zählen zu den Herstellungskosten eines Gebäudes ebenfalls Ausgaben für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach dem Erwerb des Gebäudes getätigt werden. Dies gilt, sofern die Aufwendungen ohne Berücksichtigung der Umsatzsteuer 15 Prozent der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (sogenannte anschaffungsnahe Herstellungskosten). Zu diesen Aufwendungen gehören insbesondere Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung, die – ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG – vom Grundsatz her als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen wären. Zu den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des  § 6 Abs. 1 Nr. 1a S. 1 EStG gehören auch Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, durch die funktionsuntüchtige Teile eines Gebäudes, die für seine bestimmungsgemäße Nutzung unerlässlich sind, wiederhergestellt werden und damit das Gebäude in einen betriebsbereiten Zustand versetzt wird, wenn sie im Rahmen einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Gebäudes anfallen.

Dass Aufwendungen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft des Gebäudes gemäß § 255 Abs. 1 S. 1 HGB zu Anschaffungskosten führen und bereits deshalb zu aktivieren sind, steht dem Wortlaut von § 6 Abs. 1 Nr. 1Satz 1 EStG nicht entgegen. 

Der Beschluss des BFHs vom 28. April 2020 konkretisiert den Anschaffungszeitpunkt. Die Klärung durch den BFH stützt die Rechtsauffassung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz, welches den Fall als vorherige Instanz zu beurteilen hatte und weist darauf hin, dass der Gesetzeswortlaut unmissverständlich ist. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte zuvor eine Ausweitung der Anschaffungsnahen Herstellungskosten auf vor der Anschaffung getätigte Aufwendungen ausgeschlossen. Im konkreten Fall hatte sich ein Ehepaar 2012 im Zusammenhang mit dem Kauf eines Mehrfamilienhauses zwecks Fremdvermietung mit den Voreigentümern im Zuge des Abschlusses des notariellen Kaufvertrags dahin verständigt, dass die hierfür erforderlichen Umbau- bzw. Renovierungsmaßnahmen sowie eine Dacherneuerung in Eigenregie der Käufer schon vor Kaufpreiszahlung bereits ab Oktober 2011 durchgeführt werden durften.

 

III. Empfehlung

Der BFH Beschluss kann es Steuerpflichtigen im Einzelfall ermöglichen, Kosten vor Anschaffung einer Immobilie als vorweggenommene Werbungskosten abzusetzen, ohne der 15 Prozent-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu unterliegen. Voraussetzungen für den direkten Abzug wären dann, dass es sich um Instandhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen handelt, die nicht dem allgemeinen Herstellungskostenbegriff unterliegen. Zusätzlich sollten diese vorweggenommenen Werbungskosten vor Eigentumsübergang (in der Regel Kaufpreiszahlung) vom Immobilienerwerber vollständig entrichtet worden und die Baumaßnahme abgeschlossen sein. Der Beschluss des BFH ist nicht veröffentlicht worden. Die Anwendung geht daher nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus. Steuerpflichtige müssen daher im Zweifel gegen eine nachteilige Rechtsauffassung des Anschaffungszeitpunktes den Rechtsweg gehen.

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