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Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen und Bürgschaftsregressforderungen (Stand: 08/2022)

I. Einleitung

Zweieinhalb Jahre nach Einführung der für die steuerliche Erfassung von Ausfallverlusten aus Gesellschafterdarlehen und Bürgschaftsregressforderungen relevanten Norm (§ 17 Abs. 2a EStG) hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) nun mit Schreiben vom 7. Juni 2022 zu zahlreichen Anwendungs- und Auslegungsfragen Stellung genommen. Darin wird insbesondere die steuerliche Erfassung von gesellschaftsrechtlich veranlassten Ausfallverlusten als nachträglich Anschaffungskosten auf eine qualifizierte GmbH Beteiligung von mindestens 1% dem Grunde sowie die Erfassung des Verlustes in Abhängigkeit der Qualifikation des Darlehens der Höhe nach abschließend erörtert. Die Auswirkungen für die Praxis sowie etwaige Zweifelsfragen erläutern wir Ihnen in dem nachfolgenden Beitrag.

 

II. Auf einen Blick

In der Praxis bestanden im Zusammenhang mit der steuerlichen Geltendmachung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen jahrelang rechtliche Unsicherheiten, insbesondere zu der Frage, ab wann das verlustige Gesellschafterdarlehen gesellschaftsrechtlich veranlasst war und in welcher Höhe dieses zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Kapitalgesellschaftsbeteiligung führt. Darüber hinaus kam es – getrieben durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – zu Abgrenzungsschwierigkeiten mit Einkünften aus Kapitalvermögen. Durch den im Zuge des Jahressteuergesetzes 2019 eingeführten § 17 Abs. 2a EStG wurde erstmals gesetzlich geregelt, welche Aufwendungen des Gesellschafters aus Finanzierungen und Finanzierungshilfen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf eine qualifizierte Kapitalgesellschaftsbeteiligung (= Beteiligung von mindestens 1 % binnen der letzten fünf Jahre) führen. Demnach gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten insbesondere offene oder verdeckte Einlagen sowie Darlehensverluste, soweit die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Ebenfalls sind auch Ausfälle aus Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbare Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Die Verluste wirken sich als nachträgliche Anschaffungskosten im Falle der Veräußerung einer qualifizierten Beteiligung im Umfang von 60 % aus und vermindern somit einen Gewinn bzw. erhöhen einen Veräußerungsverlust. Etwaige nicht bei § 17 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten zu erfassende Verluste können gegebenenfalls bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) geltend gemacht werden, unterliegen dort jedoch mitunter absoluten Verlustverrechnungsbeschränkungen von höchstens 20.000 Euro pro Jahr.

 

III. Im Detail

1. Erfassung bei § 17 EStG – Einkünfte aus Gewerbebetrieb

Gem. § 17 Abs. 2a S. 3, 4 EStG gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten auf eine qualifizierte Kapitalgesellschaftsbeteiligung (=Beteiligungsquote mindestens 1 % binnen der letzten fünf Jahre) neben offenen und verdeckten Einlagen auch Darlehensverluste, soweit die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst* war sowie auch Ausfälle aus Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbare Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Darlehensforderung bzw. der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war (*richtiger Weise müsste von einer „Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis“ gesprochen werden, zum Zwecke einer einheitlichen Lesart wird gleichwohl weiterhin von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung gesprochen).

Die steuerliche Erfassung von Ausfallverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung ist demnach – auch nach Auffassung der Finanzverwaltung – abhängig von der Qualifikation des Darlehenstypus, einhergehend mit einer zwingend geforderten gesellschaftsrechtlichen Veranlassung. Es ist somit zwischen Krisendarlehen (d. h. Hingabe des Darlehens in der Krise), krisenbestimmten Darlehen, Finanzplandarlehen und stehengelassenen Darlehen zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang führt das BMF-Schreiben aus, dass allein die Vereinbarung eines Gesellschafterdarlehens zu nicht marktüblichen Bedingungen (z. B. zinsloses Darlehen) isoliert betrachtet noch nicht zur Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung führe.

So sei bei Krisendarlehen und stehengelassenen Darlehen vielmehr zu prüfen, ob ein Dritter der Gesellschaft das Darlehen zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter gewährt hätte (sog. Fremdvergleich). Ein Darlehen ist somit immer dann gesellschaftsrechtlich veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder seiner Weitergewährung die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise). Bei sogenannten krisenbestimmten Darlehen und bei Finanzplandarlehen sei unabhängig von einer tatsächlichen Krise stets von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auszugehen.

Etwaige Verluste aus Krisendarlehen, krisenbestimmten Darlehen und Finanzplandarlehen führen damit zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Nennwertes der Darlehensforderung. Demgegenüber führt bei einem stehengelassenen Darlehen nur der im Zeitpunkt des Kriseneintritts noch werthaltige Teil der Darlehensforderung zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Hingegen ist der nicht mehr werthaltige Teil  grundsätzlich als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigungsfähig, sollte die Gesellschafterforderung der Abgeltungssteuer unterliegen.

Im Falle eines Forderungsverzichts im Zusammenhang mit einem stehengelassenen Darlehen führt nur der im Zeitpunkt des Eintritts der Krise noch werthaltige Teil eines stehengelassenen Darlehens zu nachträglichen Anschaffungskosten. Dabei stellt der im Zeitpunkt des Verzichts noch werthaltige Teil nachträgliche Anschaffungskosten gem. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG als sog. verdeckte Einlage dar, wohingegen der im Zeitpunkt des Verzichts nicht mehr werthaltige Teil einen Darlehensverlust im Sinne von § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 2 EStG darstellt und als solcher ebenfalls als nachträgliche Anschaffungskosten zu erfassen ist. Der Verzicht auf den bereits im Zeitpunkt des Eintritts der Krise nicht mehr werthaltigen Teil (Differenz zwischen Nennwert und gemeiner Wert zum Kriseneintrittszeitpunkt) des stehen gelassenen Darlehens ist nur im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen unter den dortigen Voraussetzungen zu berücksichtigen.

Die vorstehenden Grundsätze sollen ausweislich des BMF-Schreibens für den Ausfall von Bürgschaftsregress- und vergleichbare Forderungen entsprechend gelten. Tatsächlich ist u. E. § 17 Abs. 2a Nr. 3 EStG jedoch nur auf den „Ausfall“ einer Bürgschaftsregressforderung – entgegen der „Darlehensverluste“ bei Nr. 2 – beschränkt. Der Verlust aus der Abtretung einer Bürgschaftsregressforderung würde damit grundsätzlich nicht bei § 17 EStG, sondern ausschließlich bei Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 ESt) zu erfassen sein.

 

2. Erfassung bei § 20 EStG – Einkünfte aus Kapitalvermögen

Eine Berücksichtigung der Darlehensverluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist nur möglich, soweit die Darlehensverluste nicht als nachträgliche Anschaffungskosten bei § 17 EStG zu berücksichtigen sind (Subsidiarität). Dies trifft in den meisten Fällen insbesondere den Ausfall des nicht werthaltigen Teils der Darlehensforderung. Damit ein Darlehensverlust bei Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden kann, muss das Darlehen mit der Absicht gewährt worden sein Einkünfte daraus zu erzielen (sog. Einkünfteerzielungsabsicht). Gleichwohl ist bei Einkünften aus Kapitalvermögen grundsätzlich per se von einer (widerlegbaren) Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen. Alleine die Gewährung eines unverzinslichen Darlehens widerspricht noch nicht der Einkünfteerzielungsabsicht, wenn sich die Absicht Einkünfte zu erzielen in anderen Vorteilen wiederspiegelt (z. B. Wertsteuerung des Anteils an der Gesellschaft, höhere Dividende oder Geschäftsführergehalt). Allenfalls dann ist eine Einkünfteerzielungsabsicht zu verneinen, wenn insgesamt keine positiven Einkünfte im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung erzielt werden können.

Das BMF-Schreiben stellt an dieser Stelle – äußerst erfreulich – heraus, dass eine Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht im Zeitpunkt des Kriseneintritts obsolet sei, sollte bereits im Zeitpunkt der Darlehensgewährung eine Einkünfteerzielungsabsicht vorgelegen haben. Dies begünstigt insbesondere den bei Eintritt der Krise wertlosen Teil eines ursprünglich fremdüblich gewährten Darlehens, das mit Kriseneintritt stehen gelassen wird.

Ausschlaggebend für die Erfassung eines steuerlichen Darlehensverlustes bei Einkünften aus Kapitalvermögen dem Grunde nach ist die Uneinbringlichkeit der Darlehensforderung. Dies kann entweder durch den endgültigen Ausfall der Kapitalforderung begründet sein oder durch einen Forderungsverzicht. Von einem endgültigen Ausfall ist immer dann auszugehen, wenn feststeht, dass keine Rückzahlung mehr stattfinden wird. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens reicht dafür regelmäßig nicht aus. Ein Forderungsverzicht steht dem endgültigen Ausfall der Kapitalforderung gleich. In beiden Fällen muss der Steuerpflichtige seinerzeit auch für den nicht werthaltigen Teil der der Darlehensforderung Anschaffungskosten getragen haben, damit auch der Verlust tatsächlich steuerlich anzuerkennen ist.

Ausschlaggebend für die Erfassung eines steuerlichen Darlehensverlustes der Höhe nach ist die (Nicht-)Anwendbarkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG. Nach dieser Norm dürfen Verluste aus der vollständigen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, der Ausbuchung oder der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter sowie der sonstige Ausfall derartiger Wirtschaftsgüter im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen nur i. H. v. 20.000 € p. a. mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste werden vorgetragen und dürfen in den Vortragsjahren ebenfalls bis maximal 20.000 € p. a. mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Eine Verrechnung mit tarifbesteuerten Einkünften scheidet dann aus. Eine mögliche Ausnahme und somit die Verrechnung mit tariflich besteuerten Einkünften besteht nur, sofern der Gesellschafter zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist und die entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben darstellen (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b S. 1 EStG). Letzteres wird jedoch regelmäßig bei der Ausbuchung von Gesellschaftsverbindlichkeiten auf Ebene der krisenbehafteten Schuldnerin fraglich sein.

 

3. Anwendungsregelungen


Das Schreiben ist grundsätzlich in allen offenen Fällen anwendbar. Für Veräußerungen von Anteilen, die bis zum 31. Juli 2019 stattgefunden haben, setzt die Anwendung von § 17 Absatz 2a EStG einen Antrag voraus. In Ermangelung einer Form- oder Fristbindung kann der Antrag bis zum endgültigen Eintritt der Bestandskraft des entsprechenden Steuerbescheids – ggf. auch im Rahmen eines noch anhängigen finanzgerichtlichen Verfahrens oder Revisionsverfahrens – gestellt oder zurückgenommen werden. Der Antrag kann für jede Anteilsveräußerung gesondert gestellt werden, da Gegenstand der Besteuerung nach § 17 EStG der jeweilige Anteil ist; die Antragstellung für ein einzelnes Gesellschafterdarlehen scheidet hingegen aus.

 

IV. Auswirkungen auf die Praxis


Die Bestimmungen rund um die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen sind komplex. Obschon das BMF-Schreiben einer ersten Einordnung äußerst dienlich ist, so ist dem Steuerpflichtigen stets zu einer einzelfallabhängigen Prüfung der steuerlichen Auswirkungen von Darlehensverlusten und ähnlichen Finanzierungshilfen zu raten. Insbesondere die Zeitpunktbestimmung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis, einhergehend mit dem Zeitpunkt der Verlustrealisation, haben entscheidenden Einfluss auf die Erfassung des Ausfallverlustes dem Grunde sowie der Höhe nach. Dem Steuerpflichtigen sowie dessen steuerlichen Berater ist daher anzuraten, bereits bei Darlehenshingabe oder Bürgschaftsübernahme die Möglichkeiten einer künftigen Geltendmachung etwaiger Ausfallverluste steuerlich prüfen zu lassen. Darüber hinaus ist eine entsprechende schriftliche Dokumentation der Darlehenskonditionen, insbesondere mit Bezug auf einen möglichen Krisenfall, dringend anzuraten.

Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung. 

 

 

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