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Die ertragsteuerliche Betriebsstätte im nationalen und im internationalen Steuerecht (11/2022)

I. Einleitung

Viele Unternehmer die international tätig sind beschäftigen sich mit der Frage, ob und wann eine Betriebsstätte vorliegt. Dies ist von erheblicher Bedeutung, da eine Betriebsstätte der Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ist und sich daraus auch weitere steuerliche Pflichten ergeben (beispielsweise die Erstellung einer Betriebsstätten-Gewinnermittlung, Gewerbeanmeldung, Registrierung beim Finanzamt). Wenn das Vorliegen einer Betriebsstätte erst im Rahmen einer Außenprüfung festgestellt wird, drohen regelmäßig hohe Steuernachzahlungen und gegebenenfalls auch Strafen für den Steuerpflichtigen.

Ob eine ertragsteuerliche Betriebsstätte vorliegt bedarf immer einer Einzelfallprüfung. Die Kriterien dafür sind im nationalen und internationalen Steuerrecht durchaus unterschiedlich. Teilweise haben auch einzelne Länder spezielle Sichtweisen zu diesem Thema. Hinzu kommt, dass durch die aktuellen Entwicklungen im internationalen Steuerrecht, das Risiko eine Betriebsstäte im Ausland zu begründen erheblich gestiegen ist. Der Begriff der Betriebsstätte, wird im internationalen Steuerrecht mittlerweile weiter gefasst als noch vor einigen Jahren. In der Presse wird derzeit beispielsweise das Entstehen einer Betriebsstätte durch Mitarbeiter im Home-Office aufgegriffen. Im Folgenden geben wir einen ersten Überblick über die neuen Entwicklungen und die daraus resultierenden Folgen.

 

II. Die ertragsteuerliche Betriebsstätte im nationalen Recht


Eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 Satz 1 Abgabenordnung ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Eine feste Geschäftseinrichtung ist auf eine gewisse Dauer angelegt und der Unternehmer muss eine, nicht nur vorübergehende, Verfügungsmacht über diese Einrichtung haben. Ergänzend beinhaltet § 12 Satz 2 Abgabenordnung einen Katalog von Einrichtungen, die als Betriebsstätte anzusehen sind (beispielsweise Stätte der Geschäftsleitung, Warenlager, Bauausführungen). Diese Katalogaufzählung ist jedoch nicht abschließend. In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass in der Baubranche oder im Anlagen- und Maschinenbau die Tätigkeit einer Bauausführung oder einer Montage, beim Überschreiten der jeweils einschlägigen Fristen, das Risiko einer ungewollten Bau- und Montagebetriebsstätte besteht. Ebenso ist auch immer wieder zu beobachten, dass sich durch den Ort der Geschäftsleitung ungewollt eine so genannte Geschäftsführer-Betriebsstätte ergibt.


III. Die ertragsteuerliche Betriebsstätte im internationalen Recht


In Artikel 5 Absatz 1 des OECD Musterabkommens, welches als Vorlage für die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und dem jeweiligen Vertragspartner dient, wird definiert, dass eine Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung ist, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Der Artikel 5 Absatz 2 OECD Musterabkommen enthält eine Katalogaufzählung von Betriebsstätten, die nicht identisch, aber ähnlich wie im nationalen Recht ist. Die Bau- und Montageausführungen sind in Artikel 5 Absatz 3 OECD Musterabkommen gesondert geregelt. Demnach kommt es nur zu einer Betriebsstätte, wenn die Dauer der Ausführung zwölf Monate überschreitet. Im nationalen Recht beträgt der Zeitraum lediglich sechs Monate. Somit kann es hier durch Doppelbesteuerungsabkommen zu erheblichen Abweichungen zum nationalem Recht kommen. Es ist jedoch zu beachten, dass jedes Doppelbesteuerungsabkommen individuell ist und die Fristen in diesem Punkt regelmäßig zwischen sechs und zwölf Monaten liegen.


IV. Wesentliche Abweichungen zwischen dem nationalen und internationalen Recht


Hervorzuheben ist das zeitliche Element bei der Beurteilung, ob eine Betriebsstätte vorliegt. Der Bundesfinanzhof betrachtet die Sechsmonatsfrist als Anhaltspunkt für die Begründung einer Betriebsstätte. Grundsätzlich zeigt die Praxis vieler OECD-Mitgliedstaaten, dass auch im internationalen Steuerrecht bei einem Unterschreiten der Sechsmonatsfrist nur in Ausnahmefällen eine Betriebsstätte angenommen wird. Der Diskussionsentwurf der OECD stellt jedoch klar, dass es keine zeitliche Grenze gibt, unterhalb derer eine Betriebsstätte nicht angenommen wird. Entscheidend für die Beurteilung ist immer die Absicht im Zeitpunkt der Errichtung. Dabei ist zu beachten, dass im internationalen Recht auch Tätigkeiten, die ihrer Natur nach nur kurzfristiger Natur sind, auch bei weniger als sechs Monaten zu einer Betriebsstätte führen können (z. B. Catering an einem Filmset). Des Weiteren wird nach der OECD-Auffassung bei wiederkehrenden Tätigkeiten die Zeitspanne gegebenenfalls auch über mehrere Jahre kumuliert betrachtet. Mögliche Beispiele dafür sind Messen, Saisonarbeit oder jährliche Wartungen von Anlagen. Es ist allgemein zu beobachten, dass im internationalen Steuerrecht die Anforderungen an das zeitliche Element immer weiter abgesenkt werden und einige Staaten bereits bei kurzfristig angelegten Tätigkeiten eine Betriebsstätte feststellen.

Praxisbeispiel: Ein Steuerpflichtiger hat auf einem drei Wochen andauernden Flohmarkt Waren aus seinem Campingwagen heraus verkauft. Der ausländische Staat hat für diese Tätigkeit eine Betriebsstätte festgestellt.

In einem solchen Fall käme erschwerend hinzu, dass Deutschland eine abweichende Rechtsauffassung vertreten würde, also keine Betriebsstätte im Ausland sieht. Dies hätte zur Folge, dass Deutschland aufgrund des so genannten „Welteinkommensprinzips“ die gesamten Einkünfte besteuern und keine Freistellung für die Betriebsstätteneinkünfte gewähren würde. Somit käme es zu einer tatsächlichen Doppelbesteuerung. Diese ließe sich regelmäßig nur im Rahmen eines komplizierten und zeitlich aufwendigen Verständigungsverfahren zwischen den beiden Staaten lösen.

Ein weiteres Kriterium im nationalen und internationalen Recht ist das räumliche Element. Für die Qualifizierung als Betriebsstätte ist neben dem oben dargestellten zeitlichen Element, eine räumliche Begrenzung und örtliche Fixierung erforderlich. Darunter ist jedoch keine feste Verbindung mit der Erdoberfläche erforderlich. Auch ein täglich auf- und abgebauter Marktstand kann dieses Kriterium erfüllen. Derzeit ist beispielsweise beim Bundesfinanzhof ein Verfahren anhängig in dem geklärt werden muss, ob ein Taxiunternehmer durch die Mitbenutzung eines Schreibtisches und der alleinigen Nutzung eines Standcontainers eine Betriebsstätte begründet (BFH anhängiges Verfahren I R 47/21). Im Rahmen des Verfahrens wird zu klären sein, ob das räumliche Element erfüllt ist und die Verfügungsmacht des Taxiunternehmers ausreichend ist.

Ein weiteres Tatbestandsmerkmal im nationalen und internationalen Recht für das Vorliegen einer Betriebsstätte ist das Innehaben der Verfügungsmacht. Die deutsche Rechtsauffassung besagt, dass für die Begründung einer Betriebsstätte eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Unternehmers über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung oder Anlage vorliegen muss. Der Unternehmer muss eine Rechtsposition innehaben, die ihm ohne sein Mitwirken nicht ohne weiteres entzogen werden darf. Die Auffassung der OECD ist diesbezüglich deutlich weiter gefasst. Danach liegt bereits eine ausreichende Verfügungsmacht vor, wenn ein Unternehmer aus faktischen Gründen an einem bestimmten Ort über eine gewisse Zeit unternehmerisch tätig ist. Aus Sicht der OECD ist dafür nicht zwingend ein entsprechendes vertragliches Verhältnis für die Nutzung erforderlich. Im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals stellt sich auch die Frage, wie Privaträume von Angestellten im Rahmen der Tätigkeiten im Homeoffice zu beurteilen sind. Aus deutscher Sicht wird durch die Arbeit im Homeoffice von nichtleitenden Angestellten keine Betriebsstätte begründet, da das Unternehmen keine Verfügungsmacht über die Wohnräume der Mitarbeiter besitzt. Die OECD Auffassung weicht davon jedoch ab. Demnach wird das Homeoffice als Betriebsstätte qualifiziert sofern die Tätigkeit regelmäßig und über einen längeren Zeitraum erfolgt und die Nutzung durch betriebliche Gründe des Unternehmens veranlasst ist, beispielsweise kein Arbeitsplatz im Unternehmen vorhanden ist. Es gibt in der Praxis bereits eine Vielzahl von Mitgliedstaaten, die dieser OECD Auffassung folgen und in Fällen von Tätigkeiten im Homeoffice Betriebsstätten feststellen. Dabei ist zu beachten, dass es sich nicht nur um Fälle mit Mitarbeitern in leitenden Positionen oder mit Abschlussvollmacht handelt, sondern vielmehr auch um ganz normale Sachbearbeiter. Auch hier ergibt sich dann die Schwierigkeit der Doppelbesteuerung, da Deutschland dieser Rechtsauffassung derzeit nicht folgt.


V. Fazit

Hat ein Unternehmen im Ausland eine Betriebsstätte begründet, unterliegt diese im betreffenden Staat selbständigen Registrierungs- und Steuererklärungspflichten. Im Inland werden ausländische Betriebsstättengewinne regelmäßig von der Besteuerung, mitunter unter Progressionsvorbehalt, freigestellt, so dass es im Ergebnis grundsätzlich nur zu einer einmaligen Besteuerung der Betriebsstättengewinne im Ausland kommt. Gleichwohl ist jedoch eine Besteuerung der ausländischen Tätigkeit im Inland und damit einhergehend eine Doppelbesteuerung nicht auszuschließen, wenn aus deutscher steuerlicher Sicht keine Anhaltspunkte für die Annahme einer Betriebsstätte bestehen. Außerdem sind mit ausländischen Betriebsstätten, durch die sich ergebenden Pflichten im Ausland, auch immer zusätzliche Beratungskosten verbunden. Neben der hier dargestellten Thematik der ertragsteuerlichen Betriebsstätte sind auch immer die Folgen einer lohnsteuerlichen Betriebsstätte und umsatzsteuerlichen Betriebsstätte zu berücksichtigen. Es ist jedem Steuerpflichtigen dringend zu empfehlen, im Vorfeld eines Auslandsengagements die mögliche Begründung einer Auslandsbetriebsstätte sowohl nach deutschem als auch nach dem jeweiligen ausländischen Steuerrecht analysieren zu lassen. Mögliche Qualifikationsunterschiede können dann idealerweise durch entsprechend eindeutige Sachverhaltsgestaltung oder in Abstimmung mit den beteiligten Finanzämtern vermieden bzw. geklärt werden.

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