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Ertragsteuerbefreiung von Photovoltaikanlagen - Schreiben des Bundesministerium für Finanzen vom 17. Juli 2023 (8/2023)

Der Gesetzgeber hat mit dem Jahressteuergesetz 2022 Maßnahmen zur Förderung des Baus von Photovoltaikanlagen umgesetzt. In unseren Beiträgen „Die Neuerungen im Ertragssteuerrecht zur Photovoltaikanlage“ und „Nullsteuersatz für Umsätze im Zusammenhang mit bestimmten Photovoltaikanlagen“ haben wir dazu bereits umfangreich informiert. Rückwirkend seit dem 1. Januar 2022 sind die Einkünfte aus dem Betrieb von bestimmten Photovoltaikanlagen nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei. Nun hat das Bundesministerium für Finanzen, dass bereits erwartetet Schreiben zur ertragsteuerlichen Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG veröffentlicht (BMF-Schreiben vom 17.7.2023 - IV C 6 - S 2121/23/10001 :001). Das BMF-Schreiben soll nun die zahlreichen Anwendungs- und Zweifelsfragen, die sich in der Praxis ergeben haben, klären. In diesem Beitrag, möchten wir Ihnen die wesentlichen Aussagen des BMF-Schreibens darlegen.

 

I. Persönlicher Anwendungsbereich


In dem BMF-Schreiben wird klargestellt, dass die Steuerbefreiung im Ertragssteuerrecht (§ 3 Nr. 72 Satz 1 EStG) für bestimmte Photovoltaikanlagen für natürliche Personen, Mitunternehmerschaften und Körperschaften gilt. Es wird klargestellt, dass im Falle von Eheleuten, die auf dem gemeinsam genutzten Haus gemeinschaftlich eine Photovoltaikanlage betreiben, eine Mitunternehmerschaft vorliegt. Das führt dazu, dass beispielsweise eine gemeinsame Photovoltaikanlage mit einer Bruttoleistung von 24,00 Kilowatt (peak) unter die Steuerbefreiung fällt.

 

II. Sachlicher Anwendungsbereich


1. Maßgebliche Leistung

Für die Zwecke der ertragsteuerlichen Befreiung ist die Bruttoleistung nach dem Marktstammdatenregister in Kilowatt (peak) maßgeblich. Eine Photovoltaikanlage besteht dabei im Wesentlichen aus Solarmodulen, Wechselrichter und Einspeisezähler.

2. Begünstigte Photovoltaikanlagen

Begünstigt sind mit Gewinnerzielungsabsicht betriebene Photovoltaikanlagen, die sich auf, an oder in dem jeweiligen Gebäude befinden. Eingeschlossen werden dabei auch Nebengebäude, wie Gartenhäuser, Garagen, Carports. Auch dachintegrierte und Fassadenphotovoltaikanlagen fallen unter die Begünstigung. Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind unabhängig von ihrer Größe nicht begünstigt.

3. Umfang der Steuerbefreiung

Von der Steuerbefreiung umfasst sind Einnahmen und Entnahmen unabhängig von der Verwendung des von der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms.

Zu den Einnahmen zählen insbesondere die Einspeisevergütung, Entgelte für anderweitige Stromlieferungen (z.B. an Mieter), Vergütungen für das Aufladen von Elektrofahrzeugen.

Entnahmen liegen vor, wenn der Strom für betriebsfremde Zwecke verwendet wird. Darunter fällt beispielsweise, wenn der erzeugte Strom neben der teilweisen Netzeinspeisung in den zu eigenen Wohnzwecken genutzten Räumen verwendet wird. Eine Entnahme liegt auch vor, wenn der erzeugte Strom in Räumen verwendet wird, die der Erzielung von Einkünften aus einer anderen Einkunftsquelle dienen, beispielsweise das häusliche Arbeitszimmer.

Auch einmalige Gewinne, die durch die Veräußerung oder Entnahme einer Photovoltaikanlage entstehen fallen unter die Steuerbefreiung, wenn der Betrieb ausschließlich steuerfreie Einnahmen und Entnahmen im Sinne von § 3 Nr. 72 EStG erzielt hat.

4. Prüfung der Höchstgrenzen

Die Prüfung der Höchstgrenzen muss in zwei Schritten erfolgen:

Erster Schritt: Objektbezogene Prüfung:
Es ist zu prüfen, ob die maßgeblichen Leistungen die für die jeweilige Gebäudeart zulässige Größe pro Gebäude einhalten.

Zweiter Schritt: Subjektbezogene Prüfung:
Es ist zu prüfen, ob der Steuerpflichtige oder die Mitunternehmerschaft insgesamt die Grenze von 100 Kilowatt (peak) einhält. Dafür sind alle Leistungen der nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen des Steuerpflichtigen oder der Mitunternehmerschaft zu addieren.

Im Rahmen der Mitunternehmerschaft ist zu beachten, dass diese insgesamt höchstens Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 100 Kilowatt (peak) betreiben darf, um unter die Befreiung zu fallen. Für diese subjektbezogene Prüfung wird nicht auf die einzelnen Beteiligten an der Mitunternehmerschaft abgestellt, sondern auf die Mitunternehmerschaft an sich.

Bei der Prüfung der Grenze von 100 Kilowatt (peak) erfolgt keine anteilige Zusammenrechnung mit Photovoltaikanlagen aus einer Mitunternehmerschaft.

Es ist zu beachten, dass es sich bei der Grenze von 100 Kilowatt (peak) um eine Freigrenze handelt. Wenn diese Freigrenze überschritten wird, so entfällt die Steuerbefreiung für alle Photovoltaikanlagen.

Werden die Voraussetzungen der Steuerbefreiung unterjährig erstmalig oder letztmalig erfüllt, findet die Steuerbefreiung nur genau bis zu bzw. ab diesem Zeitpunkt Anwendung. Zu solchen Änderungen kann es beispielsweise durch Änderungen bei der Leistung der Photovoltaikanlage kommen oder durch Änderung der Anzahl an Einheiten im Gebäude.

5. Auswirkungen der Steuerbefreiung auf § 7g EStG

Die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG setzt eine betriebliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht und damit mit prognostiziertem Totalgewinn voraus. Werden Einnahmen und Entnahmen ausschließlich aus der Stromerzeugung von Photovoltaikanlagen erzielt, die nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfrei sind, gilt Folgendes:

  • Nach dem 31. Dezember 2021 endende Wirtschaftsjahre: Die Inanspruchnahme von Investitionsabzugsbeträgen scheidet aus, da ein Gewinn nicht mehr zu ermitteln ist.
  • Vor dem 1. Januar 2022 endende Wirtschaftsjahre: Investitionsabzugsbeträge, die vor dem 1. Januar 2022 in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31. Dezember 2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, sind nach § 7g Absatz 3 EStG rückgängig zu machen, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlagen investiert wurde.

Soweit es sich jedoch um die Photovoltaikanlage im Betriebsvermögens eines Betriebes handelt, dessen Zweck nicht ausschließlich die Erzeugung von Strom aus Photovoltaikanlagen ist, sind die allgemeinen Regelungen zu den Investitionsabzugsbeträgen nach § 7g EStG weiterhin anwendbar.

6. Betriebsausgabenabzugsverbot § 3c Absatz 1 EStG

Alle Betriebsausgaben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb von nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigten Photovoltaikanlagen stehen, sind nach § 3c Absatz 1 EStG nicht abzugsfähig. Darunter fallen laufende Ausgaben, wie beispielsweise Kosten für Reparaturen oder Wartungskosten, aber auch die Abschreibung für die Photovoltaikanlage. Ein Betriebsausgabenabzug in Veranlagungszeiträumen vor 2022 bleiben unberührt.

7. Übertragung oder Überführung zu Buchwerten (Verhältnis § 3 Nr. 72 EStG zu § 6 Absatz 3 und 5 EStG)

Eine Übertragung oder Überführung einer Photovoltaikanlage zu Buchwerten ist nach den allgemeinen Grundsätzen möglich. Dafür ist es jedoch erforderlich, dass die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Dies ist allerdings nicht der Fall, wenn die Photovoltaikanlage vor der Übertragung nicht nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigt war, nach der Übertragung jedoch nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigt ist. In diesen Fällen, ist eine Übertragung oder Überführung zu Buchwerten nicht möglich.

8. Wegfall der gewerblichen Infektion (§ 15 Absatz 3 Nummer 1 EStG) in Altfällen

Bei vermögensverwaltenden Mitunternehmerschaften, die bislang nur aufgrund des Betriebs von Photovoltaikanlagen (im Sinne des § 3 Nr. 72 EStG) gewerblich infiziert waren, sind sämtliche Wirtschaftsgüter mit Ausnahme der Photovoltaikanlagen in 2022 zu entnehmen. Das betrifft insbesondere die Gebäude auf, an oder in dem sich eine Photovoltaikanlage befindet. Bei der Entnahme kann es zur Aufdeckung erheblicher stiller Reserven kommen. Aus diesem Grund wurde aus Vertrauensschutzgründen eine Übergangsregelung geschaffen. Es wird von einer Entnahme abgesehen, wenn die Verstrickung der stillen Reserven bis zum 31. Dezember 2023 aus anderen Gründen wiederhergestellt ist.

9. Behandlung von Photovoltaikanlagen in anderweitigem Betriebsvermögen

Für Betriebe, die neben einer Photovoltaikanlage noch einer anderen gewerblichen Tätigkeit nachgehen, gelten gesonderte Regelungen. In diesen Fällen ist die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG nur insoweit anzuwenden, als der Strom eingespeist, entnommen oder an Dritte veräußert wird. Der Betriebsausgabenabzug im Zusammenhang mit der Photovoltaikanlage bleibt unberührt, soweit dieser auf die eigenbetriebliche Nutzung des Stroms aus der Photovoltaikanlage entfällt.

Die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags ist gemäß den allgemeinen Grundsätzen weiterhin möglich. Eine Kürzung nach § 3c Absatz 1 EStG erfolgt nicht. Die Hinzurechnung nach § 7g Absatz 2 EStG unterliegt dann aber auch nicht der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG.

Wird der mit einer Photovoltaikanlage erzeugte Strom teilweise in einem anderen Betrieb des Betreibers verbraucht, ist zu beurteilen, ob es sich um zwei selbständige Betriebe oder einen einheitlichen Betrieb handelt. Ein einheitlicher Betrieb liegt nur dann vor, wenn die beiden Betriebe einander stützen und sich gegenseitig ergänzen. Als wichtiges Indiz dafür gilt, wenn der mit der Photovoltaikanlage erzeugte Strom zu mehr als 50% in dem anderen Betrieb verbraucht wird.

10. Behandlung von Strom, der in einem anderen Betrieb des Steuerpflichtigen verbraucht wird

Wird der mit einer Photovoltaikanlage erzeugte Strom in einem anderen Betrieb desselben Steuerpflichtigen verbraucht, so ist die Überführung der Photovoltaikanlage (unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 6 Abs.5 Satz 1 EStG) mit dem Buchwert zu bewerten.

11. Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen (Verhältnis § 3 Nummer 72 EStG zu § 35a EStG)

In der Vorschrift § 35a EStG ist die Steuerermäßigung für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse, haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen geregelt. Für Aufwendungen in Zusammenhang bei einer Photovoltaikanlage, die die Voraussetzungen des § 3 Nr. 72 EStG erfüllen und die auf, an oder in zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäuden montiert sind, wird die Steuerermäßigung des § 35a EStG gewährt, soweit die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

 

III. Zeitliche Anwendung


Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 17. Juli 2023 gelten für alle Einnahmen und Entnahmen, die nach dem 31. Dezember 2021 erzielt oder getätigt werden.

Anträge auf Anwendung der Vereinfachungsregelung (Liebhaberei) nach dem BMF-Schreiben vom 29. Oktober 2021 sind für Photovoltaikanlagen, die nach dem 31. Dezember 2021 in Betrieb genommen wurden, nicht mehr möglich. Für Photovoltaikanlagen, die bis zum 31. Dezember 2021 in Betrieb genommen wurden, wird die Frist für die Antragstellung bis zum 31. Dezember 2023 verlängert.

Sofern ein Antrag nach dem 31. Dezember 2022 gestellt worden ist, für eine Photovoltaikanlage die bis zum 31. Dezember 2021 in Betrieb genommen wurde, und dieser Antrag abgelehnt worden ist, steht es dem Steuerpflichtigen frei, einen erneuten Antrag auf Anwendung der Vereinfachungsregelung zu stellen.

 

IV. Fazit


Bei der Anwendung der Steuerbefreiung für Photovoltaikanlagen nach § 3 Nr. 72 EStG sind viele Punkte in der genauen Ausgestaltung zu Berücksichtigen. Das BMF-Schreiben vom 17. Juli 2023 hat sicherlich in einigen Punkten mehr Klarheit geschaffen. Dennoch wird es auch zukünftig in einzelnen Fragen weiterhin zu Diskussionen mit dem Finanzamt kommen.

Möchten Sie eine steuerliche Beratung vor der Anschaffung einer Photovoltaikanlage in Anspruch nehmen, oder besitzen Sie schon länger eine Photovoltaikanlage und benötigen Sie auf Grund der steuerlichen Änderungen Unterstützung, so stehen wir Ihnen gerne mit unserem Fachwissen zur Verfügung.

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