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Grunderwerbsteuer: Rückgängigmachung eines Erberbsvorgangs bei einer Kapitalgesellschaft - BFH Urteil v. 25. April 2023 II R 38/20 (Stand 09/2023)

I. Auf einen Blick

Die Grundsätze für die Rückabwicklung eines Grundstückserwerbs für Zwecke der Nichtfestsetzung oder Aufhebung der Grunderwerbsteuer i. S. d. § 16 GrEStG wurden in ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) herausgearbeitet. In seinem Urteil II R 38/20 vom 25. April 2023 verneint der BFH die Wiedererlangung der ursprünglichen Rechtsstellungen der Vertragsparteien i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, wenn der Ersterwerber bei der Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs den aufgrund der Auflassungsvormerkung bestehenden Anschein einer Rechtsposition in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat. Der Rückgängigmachung des Ersterwerbs steht dabei nicht entgegen, dass der Ersterwerber bei einer erneuten Veräußerung eine ihm verbleibende Rechtsposition oder deren Anschein davon (hier: Auflassungsvormerkung) tatsächlich nicht ausübt oder im ausschließlichen Interesse eines Dritten handelt. Eine Ersterwerberin in Form einer Kapitalgesellschaft muss sich die Interessen ihrer Gesellschafter bzw. Geschäftsführer zurechnen lassen.


II. Im Detail

a. Urteilssachverhalt

Bei dem im vorgenannten Urteil strittigen Fall hatte eine GmbH Grundbesitz erworben (Ersterwerb). Daraufhin wurde zugunsten der Käuferin (vorliegend auch die Klägerin) eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Es kam jedoch lediglich zu einer Zahlung des vereinbarten Kaufpreises, nicht jedoch zu einem dinglichen Übergang des Grundbesitzes. Das zuständige Finanzamt setzte entsprechend die Grunderwerbsteuer für den Ersterwerb fest.

In Ermangelung der erforderlichen Finanzierung für die mit dem Grundbesitz geplanten Bauprojekte wurde im weiteren Zeitablauf mit der Verkäuferin ein Aufhebungsvertrag geschlossen. In diesem wurde u. a. die Löschungsbewilligung für die zu Gunsten der GmbH im Grundbuch eingetragene Auflassungsvormerkung erteilt. Der Aufhebungsvertrag sollte durch die beauftragte Notarin dem Grundbuchamt bei entsprechendem Nachweis der Rückzahlung des Kaufpreises an die GmbH vorgelegt werden. Die Kaufpreisrückzahlung erfolgte trotz Anmahnung der Klägerin nicht.

Nach Abschluss des vorstehenden Aufhebungsvertrages wurden die Grundstücke an die beiden Geschäftsführer und mittelbaren Gesellschafter der GmbH (Zweiterwerber) veräußert. Die Kaufpreiszahlung wurde unmittelbar im Wege des abgekürzten Zahlungsweges durch die Zweiterwerber an die GmbH (als Ersterwerberin) geleistet. Sodann wurde die Löschung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch für die GmbH aus dem Ersterwerb beantragt.

Die Klägerin begehrte daraufhin bei dem zuständigen Finanzamt die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung für den Ersterwerb nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.

Hinweis: Durch die besondere Korrekturvorschrift des § 16 Abs. 1 GrEStG kann im Fall der Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs vor Eigentumsübergang auf den Erwerber antragsgebunden die Steuerfestsetzung verhindert oder aufgehoben werden,

  1. wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederkaufsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet; oder
  2. wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb auf Grund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.


Dem Begehren der Klägerin folgte das Finanzamt nicht und lehnte die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides ab. Das Hessische Finanzgericht (FG) wies erstinstanzlich die dagegen gerichtete Klage als unbegründet zurück.

 

III. Urteilsbegründung


Der Bundesfinanzhof hat im vorliegenden Urteil die Revision gegen die erstinstanzliche Entscheidung des FG – in Ermangelung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG – als unbegründet zurückgewiesen und in den drei Leitsätzen wie folgt entschieden:

  1. 1. Die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) setzt grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung voraus.
  2. Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber bei der Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs den aufgrund der Auflassungsvormerkung bestehenden Anschein einer Rechtsposition in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.
  3. Ist die Ersterwerberin eine Kapitalgesellschaft, muss sie sich die Interessen ihrer Gesellschafter beziehungsweise Geschäftsführer zurechnen lassen.

 

Im vorliegenden Sachverhalt war dies nach Ansicht des BFH aber insbesondere daher nicht anzunehmen, da trotz der durchgeführten Vertragsaufhebung weiterhin die Möglichkeit zur Einflussnahme durch den Ersterwerber bestand und eben nicht die ursprüngliche Rechtsstellung wiederhergestellt wurde. Insbesondere sei eine Löschungsbewilligung ohne tatsächliche Löschung im Grundbuch – mangels freier Verfügbarkeit durch den Veräußerer – nicht ausreichend, denn die Auflassungsvormerkung beeinträchtigt die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks unabhängig vom Fortbestand des zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs (vgl. auch BFH-Urteil vom 01.07.2008 - II R 36/07, BStBl II 2008, 882, unter II.1.).

Im Ergebnis habe der Ersterwerber seine Rechtsposition oder zumindest noch den Anschein einer Rechtsposition innegehabt, die dem Ersterwerber ermöglicht Einfluss auf die Weiterveräußerung nehmen zu können.

Eine Rückgängigmachung im Rahmen des Anwendungsbereiches des § 16 Abs. 1 GreStG sei allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber die verbliebene Rechtsposition oder den Anschein der Rechtsposition nach der Rückgängigmachung des Erwerbvorgangs, in Form der Aufhebung des Kaufvertrags, in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat (vgl. dazu auch BFH-Urteile vom 05.09.2013 - II R 9/12, BStBl II 2014, 588, Rz 14 und vom 19.09.2018 - II R 10/16, BStBl II 2019, 176, Rz 17). Übt hingegen der Ersterwerber bei der erneuten Veräußerung eine ihm aus dem Erwerbsvorgang verbliebene Rechtsposition oder deren Anschein (hier: Auflassungsvormerkung) tatsächlich nicht aus oder handelt der Ersterwerber insoweit im ausschließlichen Interesse eines Dritten, stehe dies einer Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht entgegen. Eine Kapitalgesellschaft als Ersterwerberin habe sich dabei die Interessen (Verwirklichung des Bauprojektes) der für sie handelnden Personen, d.h. ihrer Geschäftsführer, zurechnen zu lassen. Ob ein Ersterwerber die ihm verbliebene Rechtsposition oder deren Anschein auch im eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen festzustellen. So sei eine Verwertung im eigenen wirtschaftlichen Interesse insbesondere dann anzunehmen, wenn die Aufhebung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs im Interesse eines mittelbar beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführers der Kapitalgesellschaft erfolgt. Im vorliegenden Urteilssachverhalt waren die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung für den Grundstückserwerb durch die GmbH als Ersterwerberin demnach nicht erfüllt, da die Veräußerung der Grundstücke an die Geschäftsführer und mittelbaren Gesellschafter der Klägerin letztlich der Verwirklichung des von der Klägerin betriebenen Bauprojekts diente. Diesbezüglich muss sich die Klägerin als Kapitalgesellschaft das Handeln ihrer Geschäftsführer zurechnen lassen.

 

IV. Auswirkungen auf die Praxis


Wie so häufig im Steuerrecht empfiehlt es sich, insbesondere in der Gestaltungsberatung, die notwendigen Schritte zum Ziel auch tatsächlich einzeln zu gehen. Wenn eine Rückgängigmachung eines Grundstückserwerbs (oder Share Deals in Bezug auf eine grundbesitzende Gesellschaft) i. R. d. § 16 Abs. 1 GrEStG durchgeführt werden soll, müssen etwaige Einzelschritte stets sorgfältig abgestimmt und planmäßig umgesetzt werden. In der Beratungspraxis ist daher für Zwecke der zeitlichen Umsetzungsabfolge stets zu beachten, dass die erforderliche Löschungsbewilligung für die Auflassungsvormerkung dem Grundbuchamt durch das Notariat erst dann vorlegt wird, wenn der Kaufpreis auch tatsächlich zurückgezahlt wurde. Nur so kann im Zweifel auch eine Tatbestandserfüllung für Zwecke des § 16 Abs. 1 GrEStG sichergestellt werden. Ferner bedarf es stets der Würdigung der Gesamtumstände um gegebenenfalls für die Rückabwicklung „zurechenbare Interessen“ rechtzeitig identifizieren zu können.


Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.

So ist es für den BFH bei § 16 Abs. 1 GrEStG normimmanent, dass der zu korrigierende Erwerbsvorgang auch insoweit zunächst vollständig rückgängig gemacht werden muss, um die Steuerfestsetzung zu verhindern oder aufzuheben. Eine vollständige Rückgängigmachung setzt nach höchstrichterlicher ständiger Rechtsprechung voraus, dass sich die Vertragspartner über die zivilrechtliche Aufhebung des den Steuertatbestand erfüllenden Rechtsgeschäfts hinaus derart aus ihren vertraglichen Bindungen entlassen haben, dass die Möglichkeit zur Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt (vgl. dazu auch Urteile des BFH vom 05.09.2013 - II R 9/12, BStBl II 2014, 588, Rz 11 und vom 19.09.2018 - II R 10/16, BStBl II 2019, 176, Rz 14).

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