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In der Krise stehengelassene Darlehen – Die Bestimmung der nachträglichen Anschaffungskosten auf die Kapitalgesellschaftsbeteiligung unter Berücksichtigung des BFH-Urteils v. 18. Juli 2023 (IX R 21/21) (Stand 11/2023)

I. Auf einen Blick

Die Behandlung von Verlusten aus dem Ausfall von Gesellschafterdarlehen dem Grunde sowie der Höhe nach beschäftigt die höchstrichterliche Rechtsprechung zunehmend in den vergangenen Jahren. Mit Blick auf die Höhe nachträglicher Anschaffungskosten bei in der Krise stehen gelassener Darlehen i. S. d. § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG hat der Bundesfinanzhof (BFH) nun in seinem Urteil vom 18. Juli 2023 (IX R 21/21) in den Leitsätzen wie folgt geurteilt:

  1. Ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen ist im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem zum Zeitpunkt des Eintritts der Krise bestehenden Teilwert zu bewerten.
  2. Der bei § 17 EStG nicht abziehbare Verlust aus dem Ausfall eines stehen gelassenen Gesellschafterdarlehens wird nicht bei § 20 EStG berücksichtigt, wenn der Darlehensverlust vor dem 31.12.2008 eingetreten ist.

Strittig war im vorliegenden Urteilfall nicht die Geltendmachung des Darlehensverlustes des in der Krise stehen gelassenen Darlehens bei § 17 EStG dem Grunde nach, sondern der Höhe nach (Nennwert oder Teilwert). Der BFH hat nun erstmals die von der Rechtsprechung entwickelten Bewertungsgrundsätze für den Anwendungsbereich der noch verhältnismäßig jungen Norm des § 17 Abs. 2a EStG bestätigt. Die gegen das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 4. Juni 2021 (Az. 5 K 5188/19, EFG 2022, 160) gerichtete Revision des Steuerpflichtigen wurde durch den BFH zurückgewiesen.

 

II. Im Detail


a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb: Erfassung bei § 17 dem Grunde nach


Streitig war im Wesentlichen, ob der Verlust aus einem in der Krise stehen gelassenen Gesellschafterdarlehen nach § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem Nennwert oder Teilwert zu nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschafters an seiner Beteiligung führt. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass ein in der Krise stehen gelassenes Darlehen nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers in Höhe des Nennwertes und nicht des Teilwerts zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung führe.

Exkurs:

In der Praxis bestanden im Zusammenhang mit der steuerlichen Geltendmachung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen jahrelang rechtliche Unsicherheiten, insbesondere zu der Frage, ab wann das verlustige Gesellschafterdarlehen gesellschaftsrechtlich veranlasst war und in welcher Höhe dieses zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Kapitalgesellschaftsbeteiligung führt. Darüber hinaus kam es – getrieben durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – zu Abgrenzungsschwierigkeiten mit Einkünften aus Kapitalvermögen. Durch den im Zuge des Jahressteuergesetzes 2019 eingeführten § 17 Abs. 2a EStG wurde erstmals gesetzlich geregelt, welche Aufwendungen des Gesellschafters aus Finanzierungen und Finanzierungshilfen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf eine qualifizierte Kapitalgesellschaftsbeteiligung (= Beteiligung von mindestens 1 % binnen der letzten fünf Jahre) führen. Demnach gehören zu den nachträglichen Anschaffungskosten insbesondere offene oder verdeckte Einlagen sowie Darlehensverluste, soweit die Gewährung oder das Stehenlassen des Darlehens in der Krise der Gesellschaft gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Ebenfalls sind auch Ausfälle aus Bürgschaftsregressforderungen und vergleichbare Forderungen, soweit die Hingabe oder das Stehenlassen der betreffenden Sicherheit gesellschaftsrechtlich veranlasst war. Die Verluste wirken sich als nachträgliche Anschaffungskosten im Falle der Veräußerung einer qualifizierten Beteiligung im Umfang von 60 % aus und vermindern somit einen Gewinn bzw. erhöhen einen Veräußerungsverlust.

 

b. Einkünfte aus Kapitalvermögen: Erfassung bei § 20 dem Grunde nach


Eine Berücksichtigung der Darlehensverluste bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dem Grunde nach ist nur möglich, soweit die Darlehensverluste nicht als nachträgliche Anschaffungskosten bei § 17 EStG zu berücksichtigen sind (Subsidiarität). Dies trifft in den meisten Fällen insbesondere den Ausfall des nicht werthaltigen Teils der Darlehensforderung. Damit ein Darlehensverlust bei Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht werden kann, muss das Darlehen mit der Absicht gewährt worden sein, Einkünfte daraus zu erzielen (sog. Einkünfteerzielungsabsicht). Gleichwohl ist bei Einkünften aus Kapitalvermögen grundsätzlich per se von einer (widerlegbaren) Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen. Darüber hinaus muss die relevante Darlehensforderung nach dem 31. Dezember 2008 begründet worden sein, denn nur dann ist der Darlehensstamm insoweit bei § 20 EStG (im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer) steuerverstrickt.


Exkurs:

  1. Für die Erfassung des Ausfallverlustes bei Einkünften aus Kapitalvermögen ist die Uneinbringlichkeit der Darlehensforderung ausschlaggebend. Dies kann entweder durch den endgültigen Ausfall der Kapitalforderung begründet sein oder durch einen Forderungsverzicht. Von einem endgültigen Ausfall ist immer dann auszugehen, wenn feststeht, dass keine Rückzahlung mehr stattfinden wird. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens reicht dafür regelmäßig nicht aus. Ein Forderungsverzicht steht dem endgültigen Ausfall der Kapitalforderung gleich. In beiden Fällen muss der Steuerpflichtige seinerzeit auch für den nicht werthaltigen Teil der Darlehensforderung Anschaffungskosten getragen haben, damit auch der Verlust tatsächlich steuerlich anzuerkennen ist.

c. Einkünfte aus Gewerbebetrieb: Erfassung bei § 17 EStG der Höhe nach


Die steuerliche Erfassung von Ausfallverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung ist demnach – auch nach Auffassung der Finanzverwaltung (siehe dazu bereits unseren Blogbeitrag vom 19- August 2022) – abhängig von der Qualifikation des Darlehenstypus, einhergehend mit einer zwingend geforderten gesellschaftsrechtlichen Veranlassung. Es ist somit zwischen Krisendarlehen (d. h. Hingabe des Darlehens in der Krise), krisenbestimmten Darlehen, Finanzplandarlehen und (wie im Urteilssachverhalt) stehengelassenen Darlehen zu unterscheiden.

So sei bei Krisendarlehen und (wie im Urteilssachverhalt) bei stehengelassenen Darlehen insbesondere zu prüfen, ob ein Dritter der Gesellschaft das Darlehen zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter gewährt hätte (sog. Fremdvergleich). Ein Darlehen ist somit immer dann gesellschaftsrechtlich veranlasst, wenn im Zeitpunkt seiner Gewährung oder seiner Weitergewährung (dem Stehenlassen) die Rückzahlung des Darlehens angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Darlehensgewährung, zu denselben Bedingungen wie der Gesellschafter, nicht mehr eingegangen wäre (sog. Krise).

Bei sogenannten krisenbestimmten Darlehen und bei Finanzplandarlehen ist unabhängig von einer tatsächlichen Krise stets von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auszugehen.

Etwaige Verluste aus Krisendarlehen, krisenbestimmten Darlehen und Finanzplandarlehen führen zu nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe des Nennwertes der Darlehensforderung. Demgegenüber führt nach herrschender Meinung (wie im Urteilssachverhalt) bei einem stehengelassenen Darlehen nur der im Zeitpunkt des Kriseneintritts noch werthaltige Teil der Darlehensforderung (sog. Teilwert) zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Dieser beträgt jedoch regelmäßig null Euro. Der nicht mehr werthaltige Teil kann dann grundsätzlich als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, sollte die Gesellschafterforderung der Abgeltungssteuer unterliegen (siehe sogleich).

Diese Rechtsauffassung hat nun auch der BFH, insb. in den Rz. 21 ff. des vorliegenden Urteils, bestätigt und erklärt diese von der Rechtsprechung entwickelten Bewertungsgrundsätze auch nach Einfügung von § 17 Abs. 2a EStG für weiterhin anwendbar.

 

d. Einkünfte aus Kapitalvermögen: Erfassung bei § 20 EStG der Höhe nach


Ausschlaggebend für die Erfassung eines steuerlichen Darlehensverlustes der Höhe nach ist die (Nicht-)Anwendbarkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 S. 6 EStG. Nach dieser Norm dürfen Verluste aus der vollständigen oder teilweisen Uneinbringlichkeit einer Kapitalforderung, der Ausbuchung oder der Übertragung wertloser Wirtschaftsgüter sowie der sonstige Ausfall derartiger Wirtschaftsgüter im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen nur i. H. v. 20.000 € p. a. mit anderen Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden. Nicht verrechnete Verluste werden vorgetragen und dürfen in den Folgejahren ebenfalls bis maximal 20.000 € p. a. mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden. Eine Verrechnung mit tarifbesteuerten Einkünften scheidet dann aus.

Eine mögliche Ausnahme und somit die Verrechnung mit tariflich besteuerten Einkünften besteht nur, sofern der Gesellschafter zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist und die entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben darstellen (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b S. 1 EStG). Letzteres wird jedoch regelmäßig bei der Ausbuchung von Gesellschaftsverbindlichkeiten auf Ebene der krisenbehafteten Schuldnerin fraglich sein.

Achtung:

Bei verwirklichten Altfällen sollte gegebenenfalls die Anwendbarkeit der Altregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b S. 1 EStG geprüft werden, welche noch keine korrespondierenden Betriebsausgaben beim Schuldner vorsah und somit grundsätzlich eine Verrechnung mit tariflichen Einkünften dem Grunde nach zugelassen hat.

 

IV. Auswirkungen auf die Praxis

Die Bestimmungen rund um die steuerliche Berücksichtigung von Verlusten aus Gesellschafterdarlehen sind komplex. Dem Steuerpflichtigen ist daher stets zu einer einzelfallabhängigen Prüfung der steuerlichen Auswirkungen von Darlehensverlusten und ähnlichen Finanzierungshilfen zu raten. Insbesondere die Zeitpunktbestimmung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis, einhergehend mit dem Zeitpunkt der Verlustrealisation, haben entscheidenden Einfluss auf die Erfassung des Ausfallverlustes dem Grunde sowie der Höhe nach. Dem Steuerpflichtigen sowie dessen steuerlichen Berater ist daher anzuraten, bereits bei Darlehenshingabe oder Bürgschaftsübernahme die Möglichkeiten einer künftigen Geltendmachung etwaiger Ausfallverluste steuerlich prüfen zu lassen. Darüber hinaus ist eine entsprechende schriftliche Dokumentation der Darlehenskonditionen, insbesondere mit Bezug auf einen möglichen Krisenfall, dringend anzuraten.

Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung. 

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