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Schenkungsteuer: Bindungswirkung von Wertfeststellungsbescheiden bei Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe (Stand 03/2024)
nach dem BFH Urteil vom 26. Juli 2023 – II R 35/21

I. Einleitung

Die unentgeltliche Übertragung von Vermögensgegenständen – insbesondere im Familienverbund – will einerseits für die Schenkung im Einzelnen sowie mit Blick auf Folgeschenkungen in der näheren Zukunft geplant sein. Neben der Steuerklasse und dem Freibetrag spielt insbesondere die Bewertung des Schenkungsgegenstandes eine exponierte Rolle.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26. Juli 2023 unter dem Az. II R 35/21 festgestellt, dass ein gesondert festgestellter Grundbesitzwert Bindungswirkung für alle Schenkungsteuerbescheide entfaltet, bei denen dieser mit in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt insbesondere auch für die Berücksichtigung eines früheren innerhalb der Zehnjahresfrist.

Für den Steuerpflichtigen ergeben sich somit materiell-rechtliche Risiken aus Grundlagenbescheiden, auch wenn die dortigen Wertfeststellungen zunächst zu keiner Schenkungsteuer führen.

 


II. Urteilssachverhalt


Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt mit Wirkung zum 31. Dezember 2012 von seinem Vater schenkweise einen hälftigen Miteigentumsanteil an mehreren unbebauten Grundstücken (die sog. „Vorerwerbe“). Für Zwecke der Schenkungsteuer wurden mit Feststellungsbescheiden jeweils vom 4. April 2016 die Grundbesitzwerte für alle übertragenen wirtschaftlichen Einheiten festgestellt. Der auf den Kläger entfallende Anteil betrug insgesamt EUR 87.392 und lag somit grundsätzlich unter dem Schenkungsteuerfreibetrag i. H. v. EUR 400.000,-- zwischen Eltern und Kindern. Die erlassenen Feststellungsbescheide wurden nicht beanstandet und somit bestandskräftig. Die dort festgestellten Grundbesitzwerte waren die Besessungsgrundlage für den Schenkungsteuerbescheid vom 25. April 2016. Die Schenkungsteuer wurde mit EUR 0 festgesetzt.

Am 20. Juni 2017 erhielt der Kläger von seinem Vater schenkweise EUR 400.000,-- durch einen Forderungsverzicht (steuerlicher Erwerb). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt ?FA?) setzte daraufhin mit Bescheid vom 27. September 2018 für den Erwerb Schenkungsteuer in Höhe von EUR 9.603 fest. Dabei berücksichtigte das FA den Vorerwerb (s. o.) mit einem Wert von EUR 87.392 und damit einhergehend die betragsmäßige Überschreitung des schenkungsteuerlichen Freibetrages.

Den Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, dass der Grundbesitzwert im Feststellungsbescheid vom 4. April 2016 unzutreffend festgestellt worden sei, der für den Vorerwerb herangezogene Wert im Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 danach ebenfalls unrichtig und der Vorerwerb mit dem materiell-rechtlich zutreffenden Wert einzubeziehen sei, wies das FA in der Einspruchsentscheidung vom 28. März 2019 als unbegründet zurück.

Die hiergegen erhobene Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht (Urteil v. 25. August 2021, 3 K 112/19) hatte keinen Erfolg.

 

III. Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH ist die Revision unbegründet und war daher zurückzuweisen. Der Schenkungsteuerbescheid vom 27. September 2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die mit Bescheiden jeweils vom 4. April 2016 bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwerte in Höhe von insgesamt EUR 87.392 wurden zu Recht auch der Schenkungsteuerfestsetzung des Erwerbs zu Grunde gelegt.

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre.

Der Feststellungsbescheid vom 4. April 2016 ist ein Grundlagenbescheid, in welchem ein Grundbesitzwert bestandskräftig festgestellt worden ist. Dieser Grundlagenbescheid hat grundsätzliche Bindungswirkung für sämtliche Folgebescheide. Zu solchen Folgebescheiden zählen auch Schenkungsteuerbescheide. Eine Beschränkung der Bindungswirkung auf bestimmte Erwerbe sieht das Steuergesetz nicht vor.

Im Gegenteil liegt es nach Auffassung des BFH in der (rechtlichen) Natur der gesonderten Feststellung, diese bei allen Steuerfestsetzungen zu berücksichtigen, für die sie materiell-rechtlich von Bedeutung ist. Die Bindungswirkung der gesondert festgestellten Werte nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG gilt folglich nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO auch für nachfolgende Erbschaftsteuer- oder Schenkungsteuerbescheide, in denen im Rahmen der Zusammenrechnung innerhalb von zehn Jahren nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Wert der Vorerwerbe Berücksichtigung findet.

Dies gilt unabhängig davon, ob die Wertfeststellung zu einer Steuerfestsetzung geführt hat. Ein Steuerpflichtiger kann sich daher nicht darauf berufen, er habe den Wertfeststellungsbescheid nicht angefochten, weil aufgrund der Freibeträge die Steuerfestsetzung für den Vorerwerb EUR 0 betragen hat.

Die BFH-Rechtsprechung zum Ansatz von materiell-rechtlich richtigen Werten für den Vorerwerb im Rahmen der Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG (s. hierzu BFH-Urteile vom 22.08.2018 - II R 51/15, BFHE 262, 448, BStBl II 2020, 662, Rz 26 ff. und vom 22.07.2020 - II R 42/17, Rz 24) steht danach der  Pflicht zur Berücksichtigung eines nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BewG i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG festgestellten Grundbesitzwerts in Bezug auf einen Vorerwerb bei einem späteren Erwerb nicht entgegen, selbst wenn dieser materiell-rechtlich unzutreffend sein sollte.

Die Bindungswirkung eines Wertfeststellungsbescheids für einen Vorerwerb im Rahmen der Wertermittlung für den nachfolgenden Erwerb trägt im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zur Rechtssicherheit bei. Der Steuerpflichtige kann darauf vertrauen, dass ein bestandskräftig festgestellter Wert auch nachfolgenden Erbschaftsteuer- beziehungsweise Schenkungsteuer-bescheiden zu Grunde gelegt wird. Ist der Steuerpflichtige der Auffassung, der festgestellte Wert sei unzutreffend, ist es ihm zumutbar, bereits im Rahmen des Vorerwerbs den Wertfeststellungsbescheid rechtzeitig anzufechten.

 

IV. Auswirkungen auf die Praxis

Diese BFH-Rechtsprechung verdeutlicht einmal mehr die Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden für Folgebescheide. Die Bindungswirkung gilt auch für steuerartübergreifende Festsetzungen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Grundlagenbescheide dahingehend geprüft werden, dass die korrekten Werte festgesetzt werden. Denn (materiell-rechtliche) Einwände gegen rechtsfehlerhafte, aber zwischenzeitlich in Bestandskraft erwachsende Grundlagenbescheide sind in Rechtsbehelfs- oder Klageverfahren gegen Folgebescheide nicht mehr möglich. Gerade im Bereich der Planung von Vermögensübertragungen sind gesondert festzustellende Wertfeststellungen einer genauen Prüfung auf deren Richtigkeit zu unterzeihen, weil diese Feststellungen im Rahmen von Folgeschenkungen während des Zehnjahreszeitraums i.S.d. § 14 ErbStG ihre Wirkung nicht verlieren.

Für Rückfragen zum Thema „Bindungswirkung von Wertfeststellungsbescheiden“ und deren Wirkung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.

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