drucken

Themen

Steuerliche Behandlung von Verlusten aus Kryptowährungen (Stand: 11/2022)

I. Einleitung

In dem grundsätzlich bereits stark volatilen Markt der Kryptowährungen scheint bereits das Jahr 2022 eine zusätzliche Zäsur darzustellen. Diese manifestierte sich zuletzt in dem plötzlichen Insolvenzantrag einer der größten Kryptobörsen. Investoren die Buchverluste aus Ihren Kryptowährungen in ihren Wallets haben, aber auch Investoren mit Kryptowährungen bei einer Kryptobörse im Insolvenzverfahren, die auf Ihre Bestände keinen Zugriff mehr haben, sollten zeitnah einzelfallabhängig die Möglichkeiten einer steuerlichen Verlustnutzung prüfen lassen.

 

II. Auf einen Blick

Steuerliche Verluste haben einen eigenen Wert, da diese mit künftigen Gewinnen verrechnet und dadurch eine künftige Steuerbelastung gesenkt werden kann. Gleichwohl hängt die Möglichkeit Verluste steuerlich geltend machen zu können von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der jeweiligen Vermögenssphäre, der Einkunftsart, der Haltedauer, der Verwendungsreihenfolge sowie etwaiger gesetzlich vorgeschriebener Verlustverrechnungsbeschränkungen. Diese rechtliche Gemengelage erfordert eine einzelfallabhängige Analyse der jeweiligen Verlustverrechnungspotenziale. Einen ersten systematischen Überblick möchten wir Ihnen im Folgenden geben.

 

III. Im Detail

1. Virtuelle Währungen und Token


Als sog. „virtuelle Währungen“ sind Kryptowährungen digital dargestellte Werteinheiten, die von keiner Zentralbank oder öffentlicher Stelle emittiert oder garantiert werden und damit nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Fiatgeld besitzen, gleichwohl von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können. Daneben existieren noch sog. „Token“. Die Bezeichnung „Token“ ist ein Oberbegriff für digitale Einheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet sind und deren Funktionen variieren. Token können als Entgelt für erbrachte Dienstleistungen im Netzwerk oder zentral von einer Projektinitiatorin oder einem Projektinitiator zugeteilt werden.

Nach Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF Schreiben vom 10. Mai 2022, Rn. 31) soll es sich bei Kryptowährungen und sonstigen Token um Wirtschaftsgüter handeln. Diese Qualifikation deckt sich mit der herrschenden Literaturmeinung sowie der Auffassung einiger Finanzgerichte (vgl. exemplarisch FG Köln Urteil vom 25. November 2021 – 14 K 1178/20). Höchstrichterlich liegt diesbezüglich jedoch noch keine Entscheidung vor, wenngleich zurzeit beim Bundesfinanzhof (BFH) das Revisionsverfahren zum vorstehend genannten Urteil des FG Köln anhängig ist (BFH IX R 3/22).

 

2. Ertragsteuerrechtliche Würdigung


2.1 Grundsätzliche steuerliche Einordnung


Die Investments in virtuellen Währungen können unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu Einkünften aus allen Einkunftsarten (i. S. d. § 2 Absatz 1 Satz 1 EStG) führen. Regelmäßig wird zwischen gewerblichen Einkünften und der privaten Vermögensverwaltung zu differenzieren sein. Im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs (z. B. bei gewerblichen Einkünften) sind die Einheiten der virtuellen Währung nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter materieller Art, die nach den allgemeinen bilanzsteuerrechtlichen Grundsätzen dem Anlage- oder Umlaufvermögen zuzuordnen sind. Können die Einkünfte aus der Veräußerung von virtuellen Währungen im Privatvermögen keiner anderen Einkunftsart zugeordnet werden, sind sie als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nummer 2 EStG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG im Privatvermögen zu versteuern, sofern der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die Verlängerung der Veräußerungsfrist gemäß § 23 Absatz 1 Nr. 2 Satz 4 EStG auf zehn Jahre im Fall der Nutzung der virtuellen Währung als Einkunftsquelle (z. B. im Rahmen des Lendings) soll seitens der Finanzverwaltung bei der Veräußerung von virtuellen Währungen und Token nicht anzuwenden sein. Diese Rechtsauffassung ist nicht unstrittig.

 

2.2 Steuerliche Nutzung von Verlusten


2.2.1 Im Betriebsvermögen


Grundsätzlich werden Verluste im Betriebsvermögen steuerwirksam im Zeitpunkt ihrer Realisation, d. h. im Zeitpunkt des Verkaufes oder Tausches. Anders als im Privatvermögen gibt es im Betriebsvermögen auch keine zeitliche Befristung von einem Jahr oder zehn Jahren, sondern eine stetige Steuerverstrickung. Da es sich bei Kryptowährungen um nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter handelt, gilt es im Fall einer dauernden Wertminderung das Wahlrecht einer Teilwertabschreibung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG in Betracht zu ziehen. Diese erfordert, dass es sich bei den Kursverlusten um eine voraussichtlich dauernde Wertminderung handelt. Nicht genutzte Verluste werden grundsätzlich von Amts wegen – in Höhe von gegenwärtig 10.000.000 Euro – bis zu zwei Jahre zurückgetragen und mit dortigen Gewinnen verrechnet (§ 10d Abs. 1 EStG). Auf Antrag kann auf den Verlustrücktrag verzichtet werden (§ 10d Abs. 1 S. 6 EStG). Ein nicht genutzter Verlust wird gemäß § 10d Abs. 4 EStG gesondert festgestellt und kann in den Folgejahren gemäß § 10d Abs. 2 EStG gewinnmindernd (unter Beachtung der Regelung zur Mindestbesteuerung) verrechnet werden.

 

2.2.2 Im Privatvermögen

Anders als im Betriebsvermögen können im Privatvermögen reine Wertminderungen, die sich noch nicht final monetarisiert haben, steuerlich nicht berücksichtigt werden. Selbst wenn die Kryptowährungen selber – z. B. durch Lending – als Einkunftsquelle für Überschusseinkunftsarten genutzt werden, kann mangels Rechtsverweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG keine Teilwertabschreibung vorgenommen werden. Verluste können somit ausschließlich bei tatsächlicher Realisation derselben steuerlich geltend gemacht werden. Da – nach herrschender Meinung – Gewinne aus der Veräußerung oder des Tauschs von Kryptowährungen nur dann als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig sind, sofern der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt, gilt dies vice versa ebenfalls für die steuerliche Geltendmachung von Verlusten. Liegen zwischen Anschaffung und Veräußerung der verlustigen Kryptowährung mehr als ein Jahr, ist der Verlust steuerlich nicht mehr berücksichtigungsfähig. Für die Bestimmung der Verwendungsreihenfolge der veräußerten Einheiten einer virtuellen Währung gilt der Grundsatz der Einzelfallbetrachtung. Ist eine solche nicht möglich gilt für Zwecke der Haltefrist die – für die Verlustnutzung nachteilige – sog. FiFo-Methode (First in First out). Aus diesem Grund ist stets eine genaue Dokumentation (sog. „Trade-History“) der einzelnen Geschäftsvorfälle unerlässlich.

Zum Zwecke einer geplanten Verlustnutzung kann es daher steuerlich sinnvoll sein, den Wertverlust einer Kryptowährung noch einer binnen eines Jahres seit Anschaffung durch Veräußerung oder Tausch steuerlich geltend zu machen.

Zu beachten ist jedoch bei § 23 EStG der eingeschränkte – lediglich horizontale – Verlustausgleich, d. h. Verluste dürfen nur bis zur Höhe des Gewinns, den der Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden (§ 23 Abs. 3 S. 7 f. EStG). Darüber hinaus dürfen sie nicht mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten (z. B. sonstige Einkünfte aus Staking oder Lending gem. § 22 Nr. 3 EStG) verrechnet werden. Gleichwohl mindern die Verluste jedoch die Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum nach Maßgabe des § 10d EStG oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat oder erzielt. Ein verbleibender Verlust wird gesondert festgestellt (§ 23 Abs. 3 S. 8 EStG).

Vorstehendes gilt im Privatvermögen jedoch nur bei Direktinvestments in Kryptowährungen. Der Verlust aus einem Kryptoderivat, welches als Termingeschäft eingestuft wird, unterfällt regelmäßig den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 EStG und somit der dortigen – ebenfalls horizontalen – Verlustbeschränkung bei § 20 EStG dem Grunde nach sowie darüber hinaus noch der absoluten Verlustverrechnungsbeschränkung auf 20.000 Euro pro Jahr mit Gewinnen aus Termingeschäften und Erträgen aus Stillhalterprämien verrechnet werden des (§ 20 Abs. 6 S. 5 EStG). Darüber hinaus ist der Werbungskostenabzug bei Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG auf den so genannten „Sparerpauschbetrag“ von gegenwärtig noch 801 Euro bei Alleinstehenden oder 1.602 Euro bei Zusammenveranlagten beschränkt (§ 20 Abs. 9 EStG). Gleichwohl existiert im Fall von Einkünften aus Kapitalvermögen keine einjährige Spekulationsfrist und die nicht verrechneten Verluste in können in die Folgejahre vorgetragen werden, jedoch ist eine Verlustverrechnung auch dann weiterhin der Höhe nach auf 20.000 Euro pro Jahr beschränkt. Diese Beschränkung der Verlustverrechnung bei § 20 Abs. 6 S. 5 EStG führt faktisch zu einer Mindestbesteuerung von Gewinnen aus Termingeschäften.

 

2.2.3 Exkurs: Bestände bei Kryptobörsen im Insolvenzverfahren


Gegenwärtig wird für viele Steuerpflichtige fraglich sein, wie steuerlich mit Beständen virtueller Währungen bei Kryptobörsen im Insolvenzverfahren umgegangen werden muss. Da der Steuerpflichtige regelmäßig auf seine Bestände keinen Zugriff mehr haben wird, kann er diese auch nicht mehr übertragen oder veräußern („Not Your Key, Not Your Coin“). Die Insolvenz einer Kryptobörse, die dazu führt, dass der Steuerpflichtige auf sein Depot keinen Zugriff mehr hat, ist grundsätzlich kein Veräußerungstatbestand und führt nach aktueller Gesetzeslage zunächst noch zu keinem steuerlich relevanten Veräußerungsverlust. Würde man die Rechtsprechungsgrundsätze von Kapitalforderungen i. S. d. § 20 EStG auf den Anwendungsbereich des § 23 EStG übertragen, könnte ein Verlust demnach erst dann geltend gemacht werden, wenn dieser endgültig feststeht. Dies ist immer dann der Fall, wenn das Insolvenzverfahren abgeschlossen ist oder wenn dieses bereits mangels Masse abgelehnt wird.
Können Kursschwankungen im Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen ggfls. noch über eine Teilwertabschreibung steuerlich geltend gemacht werden würde im Privatvermögen erschwerend hinzukommen, dass – in Ermangelung der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung – der Ausgang des Insolvenzverfahren abgewartet werden muss, welches regelmäßig die im deutschen Recht geltende Haltefrist von einem Jahr weit überdauern wird. Selbst wenn der Steuerpflichtige im Nachgang etwaige Veräußerungsverluste realisieren könnte, wären diese nach Ablauf der Haltefrist von einem Jahr steuerlich nicht mehr verstrickt. Aus diesem Grund ist es von besonderer Bedeutung einzelfallabhängig zu prüfen, ob überhaupt von einer bei § 23 EStG verhafteten virtuellen Währung ausgegangen werden muss, oder ob nicht vielmehr gegebenenfalls ein Derivat oder eine anderweitige Kapitalforderung vorliegen würde, deren Verlust nicht der einjährigen Haltefrist des § 23 EStG unterfallen würde.

 

IV. Auswirkungen auf die Praxis


Grundsätzlich ist dem Steuerpflichtigen anzuraten, die ökonomische und steuerliche Vorteilhaftigkeit einer Verlustnutzung prüfen zu lassen. Im Betriebsvermögen kann bei Bedarf grundsätzlich die Möglichkeit einer Teilwertabschreibung genutzt werden. Vor dem Hintergrund der knapp bemessenen Einjahresfrist des § 23 EStG im Privatvermögen sollten dortige Wertminderung stets im Blick gehalten werden, um diese bei Bedarf rechtzeitig realisieren zu können. Darüber hinaus ist – ungeachtet der steuerlichen Vermögensphäre – eine saubere Dokumentation der Transaktionshistorie von besonderer Bedeutung um auch im Nachgang steuerlich den Handelsverlauf eindeutig dokumentieren zu können. Ob der BFH der gegenwärtigen steuerlichen Behandlung virtueller Währungen zustimmt, bleibt bis zur Entscheidung im Revisionsverfahren (BFH IX R 3/22) abzuwarten.

Mit Blick auf gesperrte Bestände bei virtuellen Währungen bei Kryptobörsen im Insolvenzverfahren wird dem Steuerpflichtigen mit Beständen im Privatvermögen stets anzuraten sein, deren steuerliche Qualifikation und damit einhergehend mitunter abweichende gesetzliche Anwendungsbereiche prüfen zu lassen.

Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508- 100 gerne zur Verfügung.

KONLUS Kontaktservice






* Pflichtfeld

Standort Bensberg:

Schloss-Straße 20
51429 Bergisch Gladbach
Tel.: +49 (0) 22 04 / 9 50 81 00
Fax: +49 (0) 22 04 / 9 50 81 10

Service Hotline

02204 - 9 50 81 00

Standort Köln:

Im Mediapark 5a
50670 Köln
Tel.: +49 (0) 221 / 95 26 81 - 170
Fax: +49 (0) 221 / 95 26 81 - 113

Aktuelle Themen zum Steuerrecht, Betriebsprüfung und vieles mehr