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Urteil des FG Münster bzgl. der Anwendbarkeit des sog. Einstiegstest im Erbschaftsteuergesetz (Stand 02/2022)
Urteil des Finanzgerichts Münster bzgl. der Anwendbarkeit des sog. Einstiegstest bei der schenkungsweisen Übertragung von Anteilen an einer originär gewerblichen Kapitalgesellschaft

I. Auf einen Blick:

Das FG Münster hat mit einem am 17. Januar 2022 jüngst veröffentlichten Urteil vom 24. November 2021 (Az. 3 K 2174/19 Erb; Revision anhängig beim BFH: II R 49/21) entschieden, dass der 90-%-Verwaltungsvermögenstest des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG (sog. Einstiegstest) bei Übertragungen von begünstigungsfähigen Kapitalgesellschaftsanteilen im Sinne des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass dieser bei einer originär gewerblichen Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht zur Anwendung kommt. D. h. bei der Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, deren Haupttätigkeit als originär gewerblich zu qualifizieren ist, kann eine erbschaft- und schenkungssteuerliche Begünstigung grundsätzlich auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Einstiegstest — aufgrund übermäßigen Verwaltungsvermögens — eigentlich negativ ausgefallen wäre.

II. Im Detail:

1) Grundsätzliches
Die Übertragung von qualifizierten Anteilen an einer Kapitalgesellschaft im Wege der Erbschaft oder der Schenkung ist grundsätzlich erbschaft- oder schenkungsteuerlich begünstigungsfähig. Qualifiziert sind Kapitalgesellschaftsanteile, wenn die Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums hat und der Erblasser oder Schenker am Nennkapital dieser Gesellschaft unmittelbar zu mehr als 25 Prozent beteiligt war (Mindestbeteiligung). Das begünstigungsfähige Vermögen ist jedoch nur insoweit auch tatsächlich im Rahmen der erbschaftsteuerlichen Begünstigungsvorschriften der §§ 13a und 13b ErbStG begünstigt, als dass sein gemeiner Wert den um das unschädliche Verwaltungsvermögen gekürzten Nettowert des Verwaltungsvermögens (d. h. den erbschaftsteuerlich nicht begünstigten Wert des Verwaltungsvermögens) übersteigt. Hingegen ist das begünstigungsfähige Vermögen vollständig nicht begünstigt, wenn die Summe des Verwaltungsvermögens vor Verrechnung der Finanzmittel die der Erfüllung von Altersvorsorgeverpflichtungen dienen mit den bestehenden Altersvorsorgeverpflichtungen mindestens 90% des gemeinen Werts des begünstigungsfähigen Vermögens betragen würde (Prüfung auf übermäßiges Verwaltungsvermögen im Rahmen des sog. Einstiegstestes). Die gesetzgeberische Intention der Norm ist die Verhinderung der steuerbegünstigten Übertragung von betrieblichem Vermögen, welches nahezu ausschließlich aus Verwaltungsvermögen besteht. Insbesondere soll unterbunden werden, dass mittels einer geringfügigen land- und forstwirtschaftlichen, originär gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit große Werte an Verwaltungsvermögen steuerlich begünstigt übertragen werden können (z. B. sog. Cash-GmbH).

2) Urteilssachverhalt
Der Vater der Klägerin schenkte dieser im Jahr 2017 sämtliche Anteile an einer inländischen GmbH. Die GmbH vertrieb Arzneimittel und Medizinprodukte und war ebenfalls forschend tätig. Der Wert der Anteile wurde auf 555.975 € festgestellt, die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel auf 2.517.649 €, die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens auf 0 € und die Summe der gemeinen Werte der Schulden auf 3.138.504 €. Das beklagte Finanzamt versagte im Ergebnis nach Durchführung des sog. Einstiegstests i. S. d.  § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG, der eine Verwaltungsvermögensquote größer 90 % ergab, die seitens der Klägerin begehrten schenkungsteuerlichen Begünstigungen des § 13a Abs. 1 und Abs. 2 ErbStG (Verschonungsabschlag und Abzugsbetrag).

3) Entscheidung des FG Münster
Das FG Münster gab der Klage statt. Zwar sei nach dem Wortlaut des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG der Wert des begünstigungsfähigen Vermögens vollständig nicht begünstigt, gleichwohl stehe die Vorschrift der Begünstigung im Streitfall jedoch nicht entgegen, da der sog. Einstiegstest zu unterbleiben habe. Der § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG sei in den Fällen des § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend auszulegen. So soll dieser dann nicht zur Anwendung kommen, wenn der Hauptzweck der betreffenden Kapitalgesellschaft eine Tätigkeit i. S. d. § 13 Abs. 1 EStG (Land- und Forstwirtschaft), des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG (originär gewerbliche Tätigkeit) bzw. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG (freiberufliche Tätigkeit) diene. Im Streitfall sei der Hauptzweck der Tätigkeit der GmbH originär gewerblich mit der Folge, dass der sog. Einstiegstest entfalle. Insbesondere eine Missbrauchsgefahr bestehe eben dann nicht, wenn der Hauptzweck einer Kapitalgesellschaft eine Tätigkeit der Land- und Forstwirtschaft, eine originäre gewerbliche Tätigkeit oder eine freiberufliche Tätigkeit darstelle. Demnach kommt der Einstiegstest künftig nur noch dann zur Anwendung, wenn die vom Gesetzgeber gesehene Missbrauchsgefahr abstrakt bestehen könnte.

 

III. Fazit und Ausblick

Das Urteil ist von hervorzuhebender Bedeutung für die Praxis. Insbesondere für die Nachfolgeplanung bei Handels- und Dienstleistungsunternehmen in Form von Kapitalgesellschaften, die typischerweise einen vergleichsweise hohen Bestand an Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aus ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit haben, wodurch der sog. Einstiegstest deshalb in der Vergangenheit regelmäßig negativ ausgefallen ist. Zwar erstreckt sich die Gültigkeit des Urteils zunächst nur auf den Urteilssachverhalt und ebenfalls bleibt die Revisionsentscheidung des Bundesfinanzhofes (BFH) abzuwarten, gleichwohl lässt es insbesondere hoffen, dass der BFH den Anwendungsbereich der Norm ebenfalls auf deren eigentlichen Zweck, die Missbrauchsvermeidung, reduzieren wird.
Betroffenen Steuerpflichtigen sei angeraten, etwaige Fälle unter Hinweis auf das anhängige Revisionsverfahren offenzuhalten.

Sollten Sie Rückfragen zum vorstehenden Urteil — insb. im Rahmen der Nachfolgeplanung — haben, stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.

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