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Wegzugsbesteuerung bei einem Wegzug in die Schweiz (Stand 02/2024)

I. Einleitung

Zieht ein unbeschränkt Steuerpflichtiger ins Ausland und hält er Kapitalgesellschaftsanteile (i. H. v. mindestens 1 %) i.S.d. § 17 EStG, kann dies die sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) auslösen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in jüngster Zeit vermehrt die Gelegenheit zur Wegzugsbesteuerung Stellung zu beziehen (siehe dazu bereits unsere Blogbeiträge vom 23. Mai 2023 sowie vom 29. Januar 2024). Für den Wegziehenden stellt die sofortige Zahlung der Steuer im Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes in der Praxis eine hohe Hürde dar, die einen Wegzug ins Ausland deutlich erschwert. Nach alter Rechtslage erfolgte bei Wegzug in einen EU-/EWR-Staat eine zinslose Stundung ohne Sicherheitsleistung (§ 6 Abs. 5 AStG a. F.) bzw. in einen Drittstaat eine Teil-Stundung gegen Sicherheitsleistung mit Zahlung der Steuerschuld in maximal fünf Raten (§ 6 Abs. 4 AStG a.F.). Nunmehr musste der BFH zur Wegzugsbesteuerung im Hinblick auf die Schweiz urteilen (Urt. v. 6. September 2023, I R 35/20).

 

II. Urteilssachverhalt

Der über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügende Kläger löste durch seinen Wegzug in 2011 in die Schweiz im Hinblick auf seine 50%ige Beteiligung an einer schweizerischen Kapitalgesellschaft die Wegzugsbesteuerung aus (§ 6 Abs. 1 AStG i. V. m. § 17 EStG). Der Kläger wies im Einspruchsverfahren darauf hin, dass eine Besteuerung nicht mit dem zwischen der EU und der Schweiz geschlossenem Freizügigkeitsabkommen (FZA) im Einklang stünde, da die Besteuerung nicht realisierter stiller Reserven eine abschreckende Wirkung habe und für das FZA keine dem § 6 Abs. 5 AStG entsprechende Stundungsregelung vorgesehen sei. Das Finanzamt (FA) wies den Einspruch zurück. Im Rahmen des Klageverfahrens richtete das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH); mit dem Urteil Wächtler (v. 26.02.2019 – C-581/17) stellte dieser eine Verletzung des FZA-Niederlassungsrechts fest. Das FG gab daraufhin der Klage statt, gegen die sich das FA mit der eingelegten Revision wendete und geltend machte, dass die Festsetzung der Wegzugssteuer gemäß § 6 AStG zulässig und für die Stundung nicht auf das Steuerfestsetzungs-, sondern das Steuererhebungsverfahren abzustellen sei.

 

III. Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH ist die Revision des FA begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage. Im Streitfall sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 AStG erfüllt. Die in § 6 Abs. 4 AStG zeitlich befristete Teil-Stundung hat der Kläger ausdrücklich nicht (mehr) beantragt. Eine Stundung nach § 6 Abs. 5 AStG kommt im Übrigen nur bei einem Wegzug in einem Mitgliedstaat der EU oder einem EWR-Vertragsstaat in Betracht und ist daher im Streitfall nicht einschlägig. Rechtsfehlerfrei hat das FG berücksichtigt, dass es an die im Vorabentscheidungsverfahren ergangene Entscheidung des EuGH gebunden ist. Danach hat der EuGH in seinem Urteil Wächtler das deutsche, aus Regelungen für die Steuerfestsetzung und Regelungen für die Steuererhebung bestehende und insbesondere in § 6 Abs. 1, 4 und 5 AStG kodifizierte „System“ der Wegzugsbesteuerung bei Wegzügen in die Schweiz verworfen, weil es das FZA-Niederlassungsrecht der betroffenen Steuerpflichtigen verletzt. Demnach sei eine dauerhafte und zinslose Stundung des gesamten Betrags der Wegzugssteuer geboten. Die Stundung darf gegebenenfalls von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, nicht aber mit einer Verzinsung einhergehen. Entgegen der Vorinstanz hindere das FZA jedoch nicht, die Wegzugssteuer im Zeitpunkt des Wegzuges festzusetzen.

 

IV. Auswirkungen auf die Praxis


Der BFH hat eindeutig klargestellt, dass im Urteilsfall zur Rechtslage 2011 „kein Zweifel“ an der Notwendigkeit einer dauerhaften und zinslosen Stundung bestehe. Sofern Steuerpflichtige im Hinblick auf die Schweiz in der Vergangenheit Wegzugssteuer gezahlt haben, sollte geprüft werden, ob eine Rückerstattung möglich ist. Eine Sicherheitsleistung kann grundsätzlich verlangt werden. Zukünftige Ausschüttungen sollte vor dem Hintergrund des am 27. Dezember 2023 verkündeten Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz betrachtet werden, die zu einem Wegfall der Stundung führen kann. Spannend bleibt die Frage, ob das Urteil über den Einzelfall hinaus auf die aktuelle Fassung von § 6 AStG übertragbar ist, wonach auch für Wegzüge innerhalb der EU/EWR nicht länger eine grundsätzliche Stundungsmöglichkeit vorgesehen wird.

Für Rückfragen zum Thema „Wegzugsbesteuerung“ und deren Vermeidung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.

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