drucken

Themen

Wegzugsbesteuerung und „lediglich vorübergehende Abwesenheit“ – Rückkehrabsicht nicht (mehr) notwendig (5/2023)

I. Einleitung

Zieht ein unbeschränkt Steuerpflichtiger ins Ausland und hält er Kapitalgesellschaftsanteile (> 1 %) i.S.d. § 17 EStG, kann dies die sog. Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) auslösen. Voraussetzung ist hierfür u.a. die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht oder der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile. Allerdings entfiel in der Vergangenheit der Steueranspruch rückwirkend bei einer nur vorübergehenden Abwesenheit und Rückkehr des Steuerpflichtigen innerhalb von fünf Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 6 Abs. 3 S. 1 AStG a.F.). Kontrovers diskutiert wurde bislang, ob eine Rückkehrabsicht zum Zeitpunkt des Wegzuges bestanden haben muss oder es ausreicht lediglich innerhalb der Fünf-Jahres-Frist zurückzukehren. Das Finanzgericht Münster hatte eine Rückkehrabsicht bejaht (Urteil vom 31. Oktober 2019, I K 3448/17 E). Der BFH hatte nunmehr Gelegenheit mit Urteil vom 21. Dezember 2022 (Az. I R 55/19) zur sog. Rückkehrerregelung (§ 6 AStG alte Fassung (a.F.)) Stellung zu beziehen. 

 

II. Urteilssachverhalt


Der Kläger gab im März 2014 seinen Wohnsitz in Deutschland auf und zog in die Vereinigten Arabischen Emiraten. Zum Zeitpunkt des Wegzuges war er an mehreren inländischen Kapitalgesellschaften beteiligt. In 2016 wurde der Kläger wieder in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Das Finanzamt berücksichtigte in der Einkommensteuerveranlagung 2014 einen fiktiven Veräußerungsgewinn nach § 6 Abs. 1 AStG a.F. i.V.m. § 17 EStG. Der Kläger legte mit Verweis auf die Rückkehr innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraumes Einspruch ein. Das Finanzamt wies diesen zurück, da der Kläger im Zeitpunkt des Wegzugs seinen unbedingten Rückkehrwillen gegenüber der Finanzverwaltung hätte anzeigen und glaubhaft machen müssen.

 

III. Entscheidung des BFH


Nach Auffassung des BFH liegt eine sog. vorübergehende Abwesenheit des Klägers i.S.d. § 6 Abs. 3 S. 1 AStG a.F. vor, da es nicht auf die Rückkehrabsicht ankommt. Denn der Wortlaut des Gesetzes gibt keine Auskunft zum Zeitpunkt der Willensbildung. Der Rückkehrwille können durchaus auch im Laufe des (ersten) Fünf-Jahres-Zeitraumes gebildet werden. Entgegen der Entscheidung des FG gehe es bei der Auslegung nicht darum, die Anwendung von § 6 Abs. 3 AStG a.F. „für gescheiterte oder ,abgebrochene` Auswanderungen“ auszuschließen und Abs. 3 nicht einen Zweck als „`Reparaturvorschrift` für steuerlich ,missglückte` Wegzüge“ zuzuweisen. Vielmehr geht es angesichts des nicht abschließend klaren Wortlauts und der systematischen Zusammenhänge dem teleologischen Leitprinzip der Regelung Geltung zu verschaffen. Dieses ist auf die Bewahrung des nationalen Besteuerungsrechts mit Blick auf die stillen Reserven der Kapitalgesellschaftsbeteiligungen ausgerichtet.

 

IV. Auswirkungen auf die Praxis


Der BFH hatte sich mit der bislang höchstrichterlich nicht geklärten Frage zu befassen, ob neben der tatsächlichen Rückkehr innerhalb der Fünf-Jahres-Frist auch eine Rückkehrabsicht zum Zeitpunkt des Wegzuges bestehen muss. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF v. 14. Mai 2004, sog. Anwendungserlass zum AStG) und Teilen der Literatur wird die „vorübergehende Abwesenheit“ im Sinne einer „subjektiven Theorie“ dahin gedeutet, dass bei Wegzug der Wille des Steuerpflichtigen zur Rückkehr bestehen muss, und dass dies glaubhaft zu machen ist. Teile der Literatur lehnen im Sinne einer „objektiven Theorie“ das Tatbestandserfordernis ab, da das Merkmal der „vorübergehenden Abwesenheit“ allein das gesetzgeberische Motiv für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung benenne. Der BFH folgt der zuletzt angeführten Auslegung („objektiven Theorie“). Danach gilt § 6 Abs. 3 AStG a.F. auch bei „gescheiterten“ oder „missglückten“ Auswanderungen, wenn die unbeschränkte Steuerpflicht innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraumes wieder begründet wird.

Das Urteil erging zum § 6 AStG a.F., sodass nunmehr für Altfälle hinsichtlich des ersten Fünf-Jahres-Zeitraumes eine Klärung herbeigeführt wurde. Hinsichtlich des 2. Verlängerungszeitraumes ist derzeit unklar, ob sich aus dem Gesetzeswortlaut („Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht“, Abs. 3 S. 2 AStG a.F.). eine andere Beurteilung ergibt. Aus Vorsichtsgründen dürfte es wohl geboten sein, gegenüber dem Finanzamt einen Rückkehrwillen entsprechend zu dokumentieren. Das Urteil dürfte auch auf die Neureglung des § 6 AStG (sieben Jahre) entsprechend Anwendung finden. Für den 2. Verlängerungszeitraum (fünf Jahre) sollte die Rückkehrabsicht gegenüber dem Finanzamt dokumentiert werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil reagieren wird.

Für Rückfragen zum Thema „Wegzugsbesteuerung“ und deren Vermeidung sowie zu dem o.g. Urteil stehen Ihnen unsere Ansprechpartner unter der Telefonnummer 02204 9508-100 gerne zur Verfügung.

KONLUS Kontaktservice






* Pflichtfeld

Standort Bensberg:

Schloss-Straße 20
51429 Bergisch Gladbach
Tel.: +49 (0) 22 04 / 9 50 81 00
Fax: +49 (0) 22 04 / 9 50 81 10

Service Hotline

02204 - 9 50 81 00

Standort Köln:

Im Mediapark 5a
50670 Köln
Tel.: +49 (0) 221 / 95 26 81 - 170
Fax: +49 (0) 221 / 95 26 81 - 113

Aktuelle Themen zum Steuerrecht, Betriebsprüfung und vieles mehr